Im nächsten Abschnitt des Buches erzählen Asperger Autisten
aus ihren Erfahrungen aus der Kindheit während der Schulzeit.
Es ist erstaunlich, wie naheliegend die beschriebenen
Erfahrungen zu meinen eigenen ist, und meine Erzählung könnte sich gut in
diesem Buch als weiteres Beispiel mit einreihen.
Meine Schulzeit empfand ich immer als sehr anstrengend. Vom
ersten Schuljahr an bei der Einschulung, bis zum letzten, meiner
Berufsausbildung, und auch in dem einen halbjährigen Versuch einer neuen
Ausbildung in einer Tanz- und Gymnastikschule, war ich immer ein
introvertierter, außen stehender Einzelgänger.
In den Grundschuljahren habe ich das nie verstanden, wieso
die gruppengebildete Mädchen mich nie dabei haben wollten. Ich versuchte immer,
dabei zu sein, ich wollte immer gerne "dazu gehören", mitspielen, ich
wollte gerne Freunde haben. Aber sie haben mich immer verbal und körperlich
weggeschubst mit ganz klarem "Wir wollen Dich nicht bei uns haben!".
Ich habe es nie verstanden. Ich fragte oft "Warum denn nicht?", aber
außer "Wir wollen dich einfach nicht", oder "Du gehörst nicht
dazu", bekam ich nie eine wirkliche Begründung. Im Rückblick denke ich,
das die anderen Kinder es in der tat nicht anders zu begründen wussten. Ich
"passte" einfach nicht dazu. Fertig, aus.
Im Sportunterricht war ich immer die letzte, die bei Mannschaftsbildende
Sportarten aufgerufen wurde. Wenn zwei aufgerufen wurden, die
"wählen" durften, und der Sportlehrer bestimmte, wer anfangen durfte
zu wählen, raunte schon ein Stöhnen durch die Reihen, wenn beim Anzahl der
Schüler klar war, wohin der letzte Person - ich - dann zwangsläufig dann
eingeteilt wurde. Ich empfand das immer sehr demütigend und schrecklich
wertlos, immer als letzte aufgerufen zu werden und dann als "Übel" im
Mannschaftssport zu gelten. Und nicht selten verlor dann meine Gruppe das
Spiel, so das ich schnell den Ruf dabei hatte, da wo ich lande, das diese
Mannschaft das Spiel verliere...
Im Buch ist das sehr ähnlich beschrieben von den Asperger Autisten,
das sie immer die Außenseiter waren, die nirgendwo Anschluss fanden und auch
immer der letzte waren, die im Mannschaftssport aufgerufen wurden....
Im Buch steht: "Viele Kinder mit Autismus
- zeigen ein nur gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein,
- sind naiv und gutgläubig und daher immer wieder dem Spott
und den Hänseleien der Klassenkameraden ausgesetzt,
- werden nicht selten durch Klassenkameraden dazu animiert,
unerlaubte Dinge zu tun, die sie normalerweise niemals tun würden.
Ja, mein Selbstbewusstsein war nicht ausgeprägt. Das ist sie
auch heute noch immer nicht. Ich war als Kind immer sehr schüchtern und sehr
ängstlich und sehr "fremdenscheu", wie meine Mutter damals immer
sagte. Zu fremden Menschen hatte ich immer erst mal angst, und klammerte mich
oft wie ein Affe an meiner Mutter am Rockzipfel, bis ein fremder Mensch mir
langsam vertrauter wurde.
In der Einschulung fühlte ich mich sehr verloren. So viele fremde Kinder. Alles
so laut, und ein Durcheinander. Getöse, Schreie, Rennen, Spielen... Im
Rückblick sehe ich, das meine Kompensation immer das Introvertieren war. Je
lauter und oller es um mich herum wurde, desto stiller, und in mich gekehrter
und "abwesender" war ich, ich igelte mich geistig regelrecht mich in
meinem inneren, in meinem Körper hinein, zurück, um das Toben meiner Klasse um
mich herum "ertragen" zu können. ...
(Ich bemerke gerade, das ich nasskalte Hände bekomme,
während des Schreibens und Rückerinnern hier... Obwohl ich an sich, bewusst,
nichts bemerke an sich regenden Emotionen, muss dieser klamme, kalte
Angstschweiß an meinen Händen doch ein Zeichen sein, das meine Erfahrungen aus
der Schulzeit, nach wie vor ein unbewusst, vorhandenes "Thema" zu
sein scheint)
Im Buch steht, das man normalerweise Asperger Syndrom Kinder
in der Schule mit bewusste Eingliederungs-Übungen und zur Seite gestellte
Betreuer oder eines älteren "Paten"-Kindes, Unterstützungen gibt. Mit
klaren Strukturen, Ablauf, Übungen den "Ernstfall" vorübt, um in
größere Gruppen bestehen zu können.
"Dieses Vorgehen unterscheidet sich ganz wesentlich von der so oft
erlebten Situation, dass das Kind gleich in einer großen Gruppe bestehen soll,
was in vielen Fällen nicht möglich ist. Der Versuch scheitert, das Kind wird
nach draußen geschickt, weil es "nicht mehr tragbar" erscheint, und
bei allen Beteiligten bleibt ein schlechtes Gefühl zurück mit viel Frustration
und dem Wunsch, so etwas zukünftig nicht mehr erleben zu wollen".
Ich galt damals einfach nur als "schüchtern", und
"introvertiert". Einfach ein bisschen "fremdenängstlich",
"fremdenscheu", und "das lege sich schon noch". Punkt, aus.
In der Einschulung wurde ich praktisch ins kalte Wasser geschmissen, und ich
fand mich einer ganz anderen Welt wieder, welches ich hinten und vorne weder
mithalten konnte, noch verstanden habe und sofort vom ersten Tag an Außenseiter
war.
Wie im Buch in den Erfahrungsberichte beschrieben, war ich oft das Opfer von
Mobbing und üble Scherze. Ich wurde oft ausgelacht, aufgrund oft auftretende
Missverständnisse.
Ich werde z.B. nie vergessen, wie ich dergestalt laut ausgelacht wurde von der
Klasse, inklusive auch vom Lehrer, in der 3. Klasse, als nach den Winterferien
im ersten Schultag der Lehrer fragte, welches Jahr wir nun haben. Er rief mich
spontan auf, und ich wusste nicht so recht, was er von mir wissen wollte.
"Welches Jahr?" ... Ich weiß nicht, warum ich vom sog.
"Jahreswechsel" bis dato nie etwas mitbekam, für mich
"hieß" das Jahr einfach "1984", und ich antwortete
unsicher, "Das Jahr heißt Neunzehnhundertvierundachtzig". Ich hielt
das Jahr für einen Namen! Ich realisierte damals das noch nicht als Zahl,
sondern nur als ausgesprochenen "Namen". Er lachte und sagte, nein,
das ist vorbei, was haben wir jetzt? - und ich war völlig irritiert, und wusste
immer noch nicht, was gemeint war und was er von mir wissen wollte. Ich fragte
dann ganz naiv "Wieso, heißt das Jahr nicht mehr
Neunzehnhundertvierundachtzig?" Im Gebrüll der Gelächter der Klasse
vernahm ich den Lehrer nur halb, aber ich glaube, er fragte mich, ob ich ihn wohl
auf den Arm nehme. Ich war völlig irritiert, das wir 1985 haben, ich habe es
nicht verstanden, wieso es jetzt nicht mehr 1984 heißt es klingt doch so schön
der Name. Es hat eine weile gedauert, bis ich begriffen habe, was Jahren sind,
und jedes Jahr diese Zahl um einen weiter voranschreitet.
Bescheuert. Völlig bescheuert.
Ich kann heute nicht sagen, ob das einfach eine mangelhafte Bildung war, oder
ein typisches Beispiel eines einfach und naiv denkenden asperger Kindes.
Ich fand es sehr interessant zu lesen in den
Erfahrungsberichten, das die meisten sich sehr unwohl fühlten, bis hin
Anspannung und Stress, wenn es drunter und drüber ging in den Schulpausen. Und
die betroffenen am liebsten bei Pausen in leeren, stillen Klassenzimmer sitzen
bleiben wollten.
Ooohja, wie gut ich das nachvollziehen kann... Ich mochte es auch am liebsten,
wenn es dann Still wurde, und wäre am liebsten alleine im Klassenzimmer sitzen
geblieben, das empfand ich als "Erholung", die Ruhe und keine Schüler
um mich herum. Aber ich war immer gezwungen, in den Pausenhof zu gehen, in den
tobenden Massen der Kinder durch die Gänge zu laufen.
Obwohl - im Rückblick betrachtet - ich das relativ gut kompensieren konnte,
denn ich introvertierte einfach. Ich starrte beim gehen immer auf dem Boden,
und war ganz tief in meiner Gedankenwelt versunken, während um mich herum die
"Außenwelt" tobte. Als ich dann eine Freundin fand - in der
Grundschulzeit eine mollige türkisches Mädchen, die auch eine Außenseiterin
war, aber wegen ihrer Herkunft und weil sie stets gezwungen war Kopftuch zu
tragen, was damals einfach selten und exotisch war (nicht im Vergleich zu
heute), war das für mich sehr angenehm, dann mich auf sie zu konzentrieren, und
mich nur mit ihr zu beschäftigen und zu reden.
Ein Absatz im Erfahrungsbericht eines Aspergers fand ich
besonders bemerkenswert: "Im Unterricht hing meine Aufmerksamkeit sehr vom
Unterrichtsfach und dem Thema ab, das gerade durchgenommen wurde. So war ich
beispielsweise in Geschichte meistens aufmerksamer als in Mathe oder Physik und
konnte mir die Hauptstädte oder Flächen von Ländern in Erdkunde eher merken,
als den Ablauf der Photosynthese in Biologie."
Meine Stärken waren anders, aber auch sehr konträr. Physik liebte ich total
dieses Fach, weil physikalische Vorgänge für mich immer klar und logisch waren.
So was begeisterte mich sehr, damals als Kind. Klare, physikalische Vorgänge
und Logik. Stoßt man Kugel A an, welches gegen Kugel B prallt, wird die
Bewegungsenergie weitergegeben zu Kugel C,und wieder zurück, beim Pendelspiel.
Ein Flaschenzug mit mehreren Umlenkrollen, macht ein Gewicht leichter, und es
ist berechenbar, um wie viel weniger Kraft man benötigt ein Gewicht mit Faktor
X zu heben. Die Aerodynamische Form eines Flügels beim Vogel wie beim Flugzeug
lässt aufgrund Aufbau von Unterdruck auf der Flügelunterseite das Objekt nach
oben ziehen. Ich fand all diese physikalische Themen einfach phantastisch! Auch
Biologie mochte ich gerne. Es hatte einfach fest geschriebene Konstante und
Regeln, rund um Abläufe der Natur. Wenn auch mehr eine Frage des
Auswendiglernens war, wie Photosynthese funktionierte oder wie die menschliche
Verdauung stattfand. Aber es war lernbar, denn man konnte es auswendig lernen
und es rezitieren, es war nicht falsch. Geschichte und Erdkunde waren für mich
dagegen die langweiligsten Fächer, obwohl auch diese "fest
geschriebene" Inhalte besaßen, sprachen sie mich einfach nicht an. In
Geschichte hatte ich regelmäßig eine "5", denn ich erkannte einfach
keinerlei Sinnhaftigkeit und Nutzen darin, etwas zu lernen, was in der
Vergangenheit lag. Welchen Sinn und Nutzen hatte es für mich, zu wissen, zu
welcher Jahreszeit Napoleon lebte? Wie brachte es mich persönlich weiter zu
wissen, auf welche Art und Weise Amerika durch Columbus entdeckt wurde? Warum
musste man wissen, wann die Cheops Pyramide erbaut wurde und welche Pharaonen
lebten? Ich fand all das einfach unsinnig und langweilig. Dementsprechend war
ich faul und lernte es nicht.
Im Rückblick, sehe ich, das ich wirklich nur das lernte und aufnahm, was mir
vom Nutzen erschien, und was mir nutzlos bzw. als wertloses Wissen erschien,
ich dagegen faul war und es einfach verweigerte. Interesse und Spaß waren meine
Motivatoren zu lernen, die auf Logik und Konstanten aufbauten. So lernte ich
gut in Fächern, wie Physik, Biologie, Kunst, Musik, und in der Mathematik
liebte ich Geometrie-Aufgaben.
Das waren alles Fächer, die meine Liebe zu Konstanten und
Logik ansprachen. So - wie ich inzwischen darüber gelesen habe - wie es
Asperger Autisten es mögen, sie lieben Konstanten und logische Abfolgen. Darin
fanden Asperger und Autisten ihre "Sicherheit", Konstanten und klare
Strukturen wirkten einfach "beruhigend".
Dem kann ich nur beipflichten.
Im Buch im Erfahrungsbericht steht weiter: "(...) Es
erwies sich als vorteilhaft für mich, wenn ich im Unterricht in der Klasse
möglichst weit vorne saß. Dann konnte ich eher mitbekommen, was der Lehrer
erzählte, und die Nebengeräusche im Raum lenkten mich nicht so sehr ab"
Stimmt total, auch hier finde ich mich wieder! Ich weiß, in
meinen ersten Schuljahren saß ich zunächst immer erst am Rande oder in den
hinteren Reihen (Ich weiß nicht wie Schulklassen heute aufgebaut werden, aber
damals zu meiner Zeit war das noch so, das die Tische in einem "Frontalunterricht"
aufgebaut waren: Alle Tische waren einzeln in Reih' und Glied aufgestellt, nach
vorne zum Tafel gerichtet, wo an jedem Tisch zwei Schüler saßen. Ich saß
zunächst immer gerne in letzter Reihe, weil ich es nicht mochte, Schüler hinter
meinem Rücken zu haben. Ich hatte gerne den "Rücken an der Wand",
oder zumindest an der Seite, es gab mir ein Gefühl der "Sicherheit".
Aber da bekam ich oft auch am wenigsten etwas mit, vorne. Irgendwann, wie es so
kommen musste, setzte der Lehrer uns Schüler um, alle, die im hinteren Reihen
saßen, mussten nach vorne in die erste Reihe, und jene in den ersten Reihen
mussten nach hinten. Ich bemerkte, das ich viel besser mich auf den Lehrer
vorne konzentrieren und ihn folgen konnte, und - aber es kam auch sehr auf den
Lehrer darauf an, wie gut oder weniger gut er/sie die Klasse im Griff hatte -
ich lernte es zu ignorieren, die Klasse im Rücken zu haben.
Seitdem saß ich am liebsten immer vorne in der allerersten Reihe, manchmal
sogar auch am liebsten direkt vor dem Lehrerpult vom Angesicht zu Angesicht.
Schlichtweg aus dem einfachen Grund, das mich alles andere um mich herum nicht
so sehr ablenkte von den Schülern, die sich bewegen, tuscheln, Geräusche
machen...
Im Buch steht zum Erfahrungsbericht, das "ein gewisses
Maß an Routine einfach notwendig ist, damit er sich sicher fühlen kann, die
Welt als stabil erleben und seinen Alltag bewältigen kann". Und dagegen
Unsicherheit, Stress und Anspannung entsteht bei Veränderungen im Tagesablauf.
Routinen und Gewohnheiten dagegen erzeugt ein Gefühl der Stabilität.
Das finde ich gut zu wissen, bzw. es bestätigt das, was ich
gerne immer habe bzw. nicht gerne habe. Ich fühle mich in der tat angespannt
und sehr verunsichert wenn neue Dinge auf mich zu kommen, und ich brauche
selbst heute noch eine starke Führung bzw. Anleitung, bis aus dem Neuen zu
einer Routine wird. Sobald etwas zur Routine geworden ist, mit stets
gleichbleibendem Ablauf, dann fühle ich mich sicher und hole meine
Selbstsicherheit aus der Gewohnheit heraus. Gerate aber - je nachdem um was es
geht - schnell aus dem Konzept und in Stress, wenn etwas außer der Reihe
geschieht, unangekündigtes, plötzliche Veränderungen, oder sonst etwas, ohne
Vorwarnung.
In meiner ersten Berufsausbildung als Bauzeichnerin war im Ausbildungsbüro viel
Eigeninitiativen und selbständiges Arbeiten gefordert. Darin versagte ich
kläglich. Obwohl ich in der Berufsfachschule nur Einser und Zweier schrieb, und
auch meine IHK-Abschlussprüfung in Bauzeichner Fachrichtung Hochbau ich mit 83%
wirklich gut abschloss.
Aber auch das ist über Asperger Autisten oft beschrieben
worden, das sie oft Schwierigkeiten darin haben, Eigeninitiativen zu entwickeln
und selbständig zu arbeiten. Ich brauchte immer jemand, der mich erst mal
praktisch "an die Hand" nahm, und mit mir alles Schritt für Schritt
durch ging. Erst dann, wenn ich es oft genug mit "Begleitung" eine
Sache geübt habe, konnte ich dann alleine weiter machen und das Gelernte in
einer festgelegten Routine weiter fortführen, und darauf aufbauen.
Aufgrund dessen, das ich im Ausbildungsbetrieb über die 3
Jahre sehr hilflos und eher schleppend mich da so durchgehangelt habe, und nie
wusste, was ich tun sollte, war ich nach der Ausbildung entsprechend raus
gegangen zu einem "Fachidioten" - viel gelernt, aber nichts davon
konnte ich wirklich richtig umsetzen. Ich arbeitete noch weitere 5 Jahre in
einem Architekturbüro am CAD, aber ich konnte nicht selbständig arbeiten, jedes
Detail, jeder Schritt, jede Aufgabe, bei jedem Plan musste man vorher bis ins
Detail erläutern und erklären, was ich zu tun habe. Und obwohl im Grunde immer
wieder das selbe gefordert wurde, war jeder Plan, bzw. jeder Grundriss oder
Projekt für mich wie etwas neues.
Als ich nach 5 Jahren Berufstätigkeit arbeitslos wurde, war ich erleichtert,
und ich wollte nie wieder als Bauzeichnerin in einem Büro am CAD sitzen, und
ich übte diesen Beruf bis heute nicht mehr wieder erneut aus. Die tägliche
Anspannung und Unsicherheit, was ich tun soll, und ob das so richtig ist, was
ich da tue, war auf Dauer sehr anstrengend und deprimierend und ich hatte oft
angst, was, wenn ich im Plan einen Fehler machte, ein falsches Maß angab, oder
sonst irgend etwas gravierendes, und der Ingenieur bemerkte den Fehler nicht
und wird an die Baustelle so weitergegeben, das hatte mich schon sehr unter
Stress und Druck gesetzt im laufe der Zeit...
Wenn ich im Buch so weiter lese über Tipps mit autistischen
Kindern, hätte ich mir echt gewünscht, meine Eltern wären aufmerksamer gewesen
und hätten entsprechend mehr mir mit unterstützenden Förderungen geholfen:
"Die wichtigste Maßnahme bei der Arbeit mit autistischen Menschen ist also
die vorgegebene Struktur, die Eindeutigkeit und Klarheit in der Umwelt, im
Alltag und im sozialen Miteinander. (...) Abläufe und Zusammenhänge durchschaubar
machen, die Orientierung zu erleichtern, Hilfestellungen geben, bei
Entscheidungen treffen mit vorgegebener Struktur. Dieses Verstehen bewirkt
Sicherheit und lässt das Gefühl der Geborgenheit entstehen".
Das wäre echt ein Traum gewesen, diese Beschreibung einer
klar vorgegebenen Struktur und Orientierung.......... Das ist das, was ich
heute noch suche und brauche... Ich brauche Struktur, ich brauche Orientierung,
ich brauche bei neuen Dingen jemand, der sozusagen mich erst mal "an die
Hand nimmt", und mit mir die Dinge durchgeht, ich suche heute noch mein
Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit in klar durchschaubare und berechenbare
Dinge.
Wie lebe ich heute? Relativ strukturlos und orientierungslos.... Ich weiß es,
und bemerke es, aber ich schaffe es nicht, mir selber eine Struktur zu geben,
oder mir selber eine Orientierung zu geben in Form von klare Zielsetzungen. Ich
brauche jemand, einfach, der ein wenig "dominant" ist, und bestimmt,
was zu tun ist. Dann fühle ich mich sauwohl darin in der Rolle des
ausführenden.
Ich lebe alleine. Seit ich in Kiel gelandet bin, lebe ich alleine. Meine
einzige "Struktur" besteht aus dem allernotwendigsten - Zur Arbeit
gehen, und ansonsten die meiste Zeit alleine und daheim zu verbringen. Und
zuhause? Verbringe ich die meiste Zeit ohne Ziel, ohne Struktur, ohne
Orientierung, ich weiß nicht was ich mit mir anfangen soll, ich weiß nicht, was
ich tun soll, ich lebe den Rest des Tages vor mich hin, und weiß nichts mit mir
anzufangen. Und das war schon immer so! Wenn ich alleine bin, weiß ich nichts
mit mir anzufangen. Als Kind beschäftigte ich mich halt immer mit irgendwelchen
Spielen, alleine. Sehr lange spielte ich noch mit Legobausteine - ich hatte
eine sehr große Kiste mit Lego's und konnte den ganzen Tag alleine in meinem
Zimmer hocken und mit Lego puzzeln. Hatte ich keine Lust mehr auf Lego, dann
konnte ich auch eben so gut den ganzen Tag am TV sitzen. So war ich halt! Schon
als kleines Kind war ich so. Ich konnte mit mir nie etwas selbst richtig was
anfangen, und beschäftigte mich alleine mit mir selbst und mit einer kleinen
Spielfigur, stundenlang, den ganzen Tag lang. Und auch heute als erwachsener
Mensch. Beschäftige ich mich mit mir selbst, alleine, mit lauter
nonsens-Dingen.
Vom Intellekt her, weiß ich, das, was ich eigentlich da so den Tag über mache,
immer eine reine "Zeitvergeudung" war, und mir ist auch bewusst, das
ich nach außen hin einfach "bequem", "stinkefaul",
"gelangweilt", "träge", "verträumt" wirke. Aber
konnte ich mich hinsetzen und stattdessen irgend etwas - "sinnvolles"
tun? Nein... Meine Alleingang-Versuche scheiterten immer. Es fällt mir
unheimlich schwer, im Alleingang eine Routine-Ablauf, selbst zu durchbrechen
mit etwas neuem. Mir selbst eine neue Gewohnheit einzuprägen. Ich schaffe es irgendwie
nicht. Ich schaffe es nicht, selbständig nun regelmäßig immer zum Sport zu
gehen. Weitere oder neuen Job zu suchen - schaffe ich nicht. Ich fühle mich
überfordert, hilflos, fühle mich wie eine paddelnde Ente auf einer Schildkröte
gebunden, der auch noch auf dem Rücken liegt.
Ich brauche immer jemand, der mich an die Hand nimmt und mit mir neue Routinen
eingewöhnt.
Ich denke, das ist wohl mit ein Grund, warum mein Coach bei mir scheiterte...
Einfach, weil ich immer mit allen Aufgaben mich selbst überlassen war und
alleine damit war, und ich scheiterte immer darin, meine eigene, in mich
gekehrte, introvertierte Routinen des "Nichtstuns" zu durchbrechen
mit Dingen, die aber durch Veränderungen, Anforderungen an soziale Kontakte,
aus dem introvertierten raus ins extrovertierten hin, ich aber unter wachsender
Anspannungen, Stress und Unsicherheiten stehe, und bei zu groß werdenden
Anspannung auf Dauer, wo ich weiterhin alleine mich selbst überlassen bleibe,
dann in emotionale Ausbrüche reagiere...
Es kränkte mich, und verstand es selbst nicht, das ich dann
als faul und bequem betitelt wurde, weil ich "die einfachsten
Aufgaben", nicht tätigte oder nicht in mein Leben integrieren konnte...
Vom Intellekt her, sehe ich, das diese Dinge banal sind, wie z.B. die
geforderte Aufgabe, jeden Morgen Joggen zu gehen, oder Sport und Fitness
täglich im Leben zu integrieren, oder sich um Weiterbildung zu kümmern oder
sich um einen Reisejob zu kümmern, oder sich in einem fb-Account zu
"präsentieren" ... Ich fühlte mich bei all diesen banalen Dingen aber
irgendwie überfordert. Ich fühlte mich unter Druck gesetzt, sehr verunsichert,
und je mehr ich mich bemühte, und je mehr ich dann Fehler machte und daraufhin
meine polemische Antworten erhielt, im Tenor, was für ne faule Sau ich bin und
ich das sehr wohl könne, aber nur zu bequemlich und zu faul sei, hat mich das
immer mehr unter Leistungsdruck gesetzt, die geforderten Veränderungen im
Alleingang einzuführen, was mich nur noch mehr mich unter Stress setzte, und
hatte mit meine eigenen, innere Widerstände zu tun, die ich selber nicht
verstand, wieso sie da waren, und immer mehr am heulen war, in Wut geriet, in
noch höheren Leistungsdruck geriet und - wie in einem Abwärtsspirale ich dann
schließlich, wenn es zu hoch kam, mit Aggressionen reagierte. Ich hatte es mit
Ängste der Veränderungen zu tun, mit Unsicherheiten im Neuland, ich wollte
immer gerne erst mal "vorbereitet" sein, ich brauchte irgend etwas,
wo ich mir meine "Sicherheiten" holen konnte, wo ich mich
"festhalten" konnte, ich brauchte genaue Erklärungen und ein
Vormachen, was ich - da ich alleine war alles nicht hatte... ich musste
Erklärungen mir selbst geben, ich musste mir selbst es vormachen, ich musste
alleine ins Unbekannte gehen, ich musste selbst im Alleingang die Dinge
feststellen gehen und Erfahrungen im unbekannte-Kaltewasser-springen sammeln,
die mich aber nur abschreckten und mich erschreckten, nicht aber mich
motivierten, neue Dinge zu entdecken...
Beim neuen fb-Account stand ich da und wusste einfach nicht, was ich damit
machen soll, was ich tun soll, was gefragt war, was gefordert war, und was ich
machte, war immer erst mal alles falsch, was mich sehr verunsicherte und mich
kränkte mit jeder polemischem Kommentar, zu meinen "Ideen" der fb-Account-Umsetzung...
Meine Postings waren nichts, meine Bilder waren nichts, meine eingeladene
"Freunde" waren nichts, meine Selbstdarstellung war nichts. Das war
für mich ein dauerndes "BAMM!" - verbale Ohrfeigen ins Gesicht, und
ich wusste nicht, warum, was daran falsch war, und ich war gefordert mit
herumexperimentieren irgendwie zu versuchen, das richtige, was gefordert war zu
finden. Eine Selbstdarstellungsseite. Ich konnte mit der Aufgabe einfach nichts
anfangen. Alles, was ich erst mal dachte, das es so richtig sein könnte war
immer erst mal falsch und war mit Polemik beantwortet worden. Ich war sooo
verunsichert, und ich fühlte mich sehr gekränkt und war nur noch verunsichert
und mochte es nicht mehr länger fortführen und zog mich in mein
Introvertiertheit zurück.
Die nächste Anforderung an mich hat mich echt zu schaffen
gemacht, weil ich nun wirklich nicht wusste, was ich da tun sollte und wie ich
das anstellen sollte und nicht zuletzt, hatte ich eine solche Angst, da im
Alleingang, - völlig alleine! mit irgendwelchen fremden Menschen - einen
Reisejob zu suchen und anzunehmen?!?
Aber konnte ich ihm das verständlich machen? Nein... Egal
was ich gesagt habe und noch sagen könnte, es wäre für ihn alles nur nach
Ausflüchte, Seelenmüll und als stinkende Faulheit angekommen. In dieser Sache
war er - aus meiner Sicht gesehen - ein miserabler Zuhörer... Nur das, was er
sagt und denkt und glaubt, sei auch das absolut richtige, und nichts und
niemand konnte ihm etwas anderes sagen, ohne das er es sogleich als "Seelenmüll"
und "Widerspenstigkeiten" deklarierte...
Unter dem neuen Blickwinkel, das ich eine
Entwicklungsstörung habe, das nahe dran an Asperger Autismus geht, welches so
viele Dinge beschreibt, worin ich ebenso die typischen Schwierigkeiten habe,
verwundert mich das nicht, warum ich da so auf Widerstände in mir stieß...
Ein Reisejob erfordert selbständiges Arbeiten, selbständiges
Denken, selbständig sich orientieren können sowohl räumlich als auch sozial,
erfordert Eigeninitiativen, und Selbständigkeit und Selbstbewusstsein - das
sind alles Attribute, die ich in meinem ganzen Leben lang noch nicht von Null
und Nichts an im Alleingang mitbringe...
Mich an einem irgend einer fremden Firma bewerben und dann
irgendwo in fremde Gegend, irgendwo quer durch Deutschland oder gar in fremde
Länder mit irgend welchen fremden Menschen, Chef, Firma zu tingeln, um dann
irgendwelche mir stets neue, unbekannte, fremde Tätigkeiten konfrontiert zu
sehen, .... was dachte er sich eigentlich dabei?! Und dann sich wundern, wieso
ich emotional ausgetickt bin? Das ich das nicht wollte? Ich hatte ANGST! ...
Ich hatte eine fuck-Angst, allein die Vorstellung...
Ich brauche Struktur, ich brauche Vorbereitung, ich brauche eine ganz klare
Linie und ganz klare Aufgabenstellung, ich brauche eine Führung, jemand, der
mir die Aufgaben erst mal zeigt, mit mir es durchgeht, "übt", ich
brauche oft auch mehrmals ein und die selbe Sache wieder und wieder erklärt,
ich brauche Sicherheit, und ich brauche das Gefühl, nicht alleine zu sein...
Ich könnte mir ein Reisejob nur unter der Bedingung
vorstellen, mit zu machen auf Touren, wenn es sich um einen Menschen handelt,
den ich gut kenne und vor allen dingen, den ich vertraue, der mir hilft, wenn
ich Schwierigkeiten habe, und mich genau anleitet, mir genau sagt, was ich zu
tun habe, mir ganz klare Richtungen und ganz klare Order gibt, den ich
begleite. Nur unter dieser Prämisse, könnte ich mir vorstellen einen Reisejob
zu machen. Aber mich hinsetzen und mich bewerben an irgendwelche fremden Firmen
oder Institutionen oder sonst wie mich "anbieten", als
"allrounder" für auf reisen einen Job zu suchen - nein.... Das ist,
was mich betrifft, ein viel zu weit und zu extrem hoch ausgegriffenes Level,
und ich verstehe nicht, was mein coach sich eigentlich bei mir dabei dachte...
Das ich ganz alleine nach Kiel gelangt bin, mir selbst den
Job und Wohnung organisiert habe, ist schon eine verdammt hohe Leistung für
jemand wie mich gewesen. Aber wird das anerkannt? Nein. Für Menschen wie ihn,
ist das pillepalle, und als solches wertet er meine Leistung das auch, das es
noch "gonnix" war... Für mich
aber, war das ein enormer Schritt, und ich weiß nicht, ob ich diesen Schritt
noch einmal machen könnte. Ich brauche einen Fixpunkt, ich brauche etwas, woran
ich mich orientieren kann, und das war - bei meiner Unternehmung und Umzug nach
Kiel - er - mein Coach - gewesen... Weil ich ihm Vertraute... weil ich an ihm
Glaubte... weil ich ihn liebte... weil ich wusste, das ist das Richtige.... und
weil ich auch an mich glaubte, das richtige zu tun.... weil ich die
Zusammenarbeit mit ihm wollte...
Nun bin ich in Kiel... und ich bin alleine... ich habe
seither keine neuen, sozialen Kontakte mehr knüpfen können... Ich hatte früher
sonst bisher immer jemanden gehabt, wo ich als "Orientierung" und
"Stütze" soziale Kontakte fand. Aber alleine - schaffe ich das
nicht... Seit 5 Jahren nun bin ich alleine, und ich bin immer noch ein
Einzelgänger, immer noch einsam... immer noch ohne jegliche Struktur und ich
weiß nicht, wie ich weiter kommen soll.... Ich bin depressiv geworden,
Traurigkeit ist zu meinem Grundtenor geworden, und ich sehe mich oft mit Dingen
konfrontiert die einerseits banal sind und mich wie ein blödes Schaf vor einer
Mauer stehen lässt. Und andererseits vermag ich komplizierte Dinge zu lösen.
Ich fühle mich im Stich gelassen und mich selbst überlassen, von jenem
Menschen, an dem ich so sehr glaubte und liebte und mich orientieren wollte und
wo ich Halt und Struktur suchte, und stattdessen aber er nur systematisch mein
äußeres demontierte und mir alles systematisch und mit Absicht zum Wohle und im
Sinne einer "Entwicklung", mir wegnahm, wo ich Halt und
Selbstsicherheit fand... Nun habe ich nichts mehr, wo ich Halt finde, wo ich
Sicherheit daraus gewinnen kann, ich habe nichts mehr, wo ich mich orientieren
kann und ich habe nichts an Ziele oder Ordnung in meinem Leben, alles hat er
mir demontiert und nach und nach mir weggenommen, selbst der kleinste Strohhalm
namens Hoffnung nahm er mir weg. Selbst er sich selbst hat sich mir weggenommen
bzw. sich entzogen, je mehr ich mich haltlos fühlte und Halt durch ihn
suchte....
Die jäh beendete Kommunikation und seitherige Schweigen,
aufrecht erhalten durch Strafrechtliche Androhung, bei Kontaktaufnahme,
empfinde ich als sehr schwer und bleiern... Und ich verstehe es nicht, ich
verstehe so etwas nicht! Ich kann aus solche Aktionen keinerlei Nutzen oder
Erkenntnisse oder Verstehen ziehen, selbst nach nun 9 Monaten gibt es keinen
einzigen Tag, wo ich nicht an ihn denke und mich hilflos fühle mit den Gedanken
und Fragen über das "Warum".... Welchen Sinn hat eine solche
Komm-Sperre, wenn diese einfach nicht verstanden wird, und selbst nach Monate
immer noch nicht verstanden wird, und wohl kaum sich ein Verstehen einstellt,
wenn selbst ein Jahr vorüber zieht, wo ich an Ort und Stelle, demontiert von
allem, was mir Halt und Orientierung gab, immer noch in der Luft hänge und ich
nicht weiter weiß und mit mir nichts anzufangen weiß und von mir aus selbst
heraus, keinen Halt, Orientierung, Ziele oder Sicherheit finden kann....
Ich verstehe es nicht.... Ich bin völlig mir selbst
überlassen, auch wenn ich nun schon 38 Jahre alt bin, und man meinen sollte,
ein erwachsener und selbständiger Mensch vor sich zu haben bei mir, bin ich es
aber nicht... Ich brauche immer noch jemand, der mich führt, der mich anleitet,
der mir klare Linien vorgibt, der mir als "Orientierung" dient....
den ich vertraue, den ich liebe, den ich überall hin folgen möchte, selbst auf
Reisen hin, Hauptsache, ich habe diesen einen Menschen, wo ich Halt finden
kann.....
Aber gibt es so einen für mich? In seinem Level? Wie soll
ich so einen Menschen finden.... ich weiß es nicht... ich fühle mich
schrecklich hilflos und alleingelassen und einfach achtlos und demontiert, mich
selbst überlassen... Und das ist nicht fair... Es ist einfach nicht richtig....