Ich war genervt, und hatte wirklich arge Schwierigkeiten loszufahren, während im Auto ein Geräuschkulisse herrschte, wo ich fast durchdrehte. Vier Mitfahrer, drei auf Rückbank, einer direkt neben mir als Beifahrer, das Radio laut aufgedreht und alle redeten und lachten und juxten durcheinander und gestikulierten, zappelten, redeten, gröhlten.... und ich saß am Steuer mit hochkonzentriertem Stirnrunzeln die schon so tiefe Furchen bekamen das man befürchten musste, das die Haut bald abfalle.
Ich war irgendwie bei dieser Akkustik einfach nicht in der Lage zu fahren! Zum allen Überdruss war es auch schon Abenddämmerung und bei diesem Dämmerlicht hatte ich das Gefühl, kaum noch was sehen zu können, dabei war es so Dunkel ja noch nicht. Ich fühlte mich so sehr von dieser Geräuschkullisse "erdrückt" und "behindert", das ich einfach das Gefühl habe, es raubt mir die Sicht und ich platzte förmlich "Könnt ihr mal endlich leise sein, ich kann nichts sehen!". Endlich konnte ich losfahren und mich auf die Straße konzentrieren, als ruhe herrschte *lach* ....
... Diese alte, lustige Geschichte meiner ersten Fahrzeiten mit dem eigenen Auto fiel mir vor einigen Tagen wieder ein, als mir in der Schule bei einer Begebenheit wieder bewusst wurde, wie schlecht ich mehrere, auf mich einprasselnde Sinneswahrnehmungen verarbeiten kann.
Eigentlich hatte ich das sogar schon fast völlig vergessen. Irgendwie arrangiert man sich auf unbewusste Ebene damit und ohne nachzudenken wieso und weshalb undwarum, agiert man automatisch so, das man halt klar kommt.
Und hierbei wurde mir mein altes Problem mit meinen Sinnen wieder bewusst. Links und rechts von mir wurde gekruschelt, geraschelt, mit den Ordnern geklappert und gelocht, Papiere hin und her, Locher auf und zu, Stifte rein und raus damit hantiert, gespielt und alles umherbewegt, es wurde getuschelt, gehustet, geschnäutzt, gekichert, gezappelt, geflüstert, herumgeeier und ich saß inmitten drinn und ich fühlte mich genervt von all dem von links und rechts auf mich hereinströmenden sehende und hörende Eindrücke. Ich versuchte, so gut ich konnte, das um mich herum zu ignorieren und mich nur auf die Dozentin zu konzentrieren, versuchte mich auf ihre Stimme zu konzentrieren, doch ihre so schon sehr zarte, nicht sehr laute Stimme ging für mich akkustisch einfach nur noch in einem akkustischen Brei unter das sich fast wie zu einem monotonen Rauschen verwandelt. Auf Dauer für mich immer anstrengender werdend, mich auf sie zu konzentrieren und 80% nur erahnend was sie sagte und zu den 20% verstandenen Worte den rest dazuinterpretierend, schaltete ich dann irgendwann ab.
Sowas war ja für mich leider nichts neues, und kenne es von mir, mein Blick taucht irgendwann ins Leere und ich mache irgendwo meine Schotten dicht und werde und wirke im wahrsten sinne des Wortes - Teilnahmslos.
Ich erinnere mich an einer Szene als Jugendliche, da war ich mit meinen Eltern bei einem Italiener essen.... Wir saßen alle am Tisch, es lief im Hintergrund Musik, das Lokal war gut besucht mit Gäste und überall um uns wurde mit dem Besteck gekläppert und sich unterhalten... aber ich saß völlig Geistesabwesend da und starrte auf einem etwas weiter weg hängenden Spielautomaten das bunt vor sich hinblinkerte und seine Zahlenreihen rhytmisch auf und abblinkerte und hin und wieder eine piepsige Dudelmusik von sich gab. Ich nahm meine Eltern ihre Gespräche nicht wahr und völlig abgeschaltet, nahm ich nur noch diesen Automaten wahr mit den Augen und die zu Brei gewordenen Geräuschkulisse der Gaststätte das fast einlullend auf mich wirkte.
Mein Vater sprach mich an, begann mir was zu erzählen, ohne das ich es registrierte... erst Sekunden später versetzt bemerke ich den leisen kurzen Einwand von seiner Frau "Die hört Dir net zu". Anschließend durfte ich mir wieder den damals häufigen Vorwurf anhören, ich würde nicht zuhören, der Spielautomaten dahinten sei wohl interessanter als sich an Gesprächen zu beteiligen, und ich solle doch aufhören so herumzuträumen und Tagträumen, und ich könnte mehr Interesse an Tischgesprächen zeigen und mich beteiligen anstatt so gelangweilt da zu hocken.
Ja, ist schon witzig... was mir als Kind und Jugendliche nicht bewusst und unverständlich war wieso ich das nicht konnte, ist mir heute als Erwachsener klar... ich konnte es tatsächlich einfach nicht. Bei Gesprächen mich beteiligen und zuhören? Das war und ist auch heute für mich meißt ein sehr anstrengende Sache. Was hatte ich als Jugendliche mir schon so oft die Vorwürfe mir anhören müssen, ich würde nicht zuhören... Es reichte, wenn sog. "Hintergrundmusik" lief, die einen tick zu laut war und schon konnte man förmlich zusehen, wie ich in einer lockeren Tischrunde unter Freunden innerhalb weniger Minuten "abschalte". Einfach, weil mir die Fähigkeit fehlt (oder unterentwickelt ist), zu filtern.
Ich kann das irgendwie leider nicht. Wie ich so eine Tischrunde dann Wahrnehme, lässt sich am besten verdeutlichen, wenn man dann die paar Minuten Aufnahme mit dem Diktiergerät dann abspielt und dann versuche mal, aus dem durcheinander an Stimmen und Geräusche und Geklapper und Geraschel, eine Person herauszufiltern und zu verstehen was sie sagt. Ihr werdet merken - das funktioniert nicht. Das Mikro zeichnet alles gnadenlos auf ohne zu differenzieren, und das Band spielt auch ebenso gnadenlos alles so ab, was das Gerät empfangen hat.
Und ja, ich war in meiner Jugendzeit auch bei einem Psychologen der hinter diesem Problem eher eine psychosomatische Ursache vermutet, wo ich heute auch davon ausgehe.
Zurück zur Schule. Im laufe meiner Jahre und Erfahrungen und Arbeiten an mir, ist mir bewusst, wie mein Handykap und "Ausweichstrategien", die Menschen klar und deutlich zu verstehen, nach außen hin wirkt. So weiß ich, das ich, wenn ich wieder irgendwo den Faden verloren habe, ich desinteressiert wirke, abwesend, teilnahmslos, als sei ich mit den Gedanken woanders. Und ich verübele den Leuten es nicht, wenn man dann sich von mir abwendet und sich mit mir nicht mehr unterhält - es liegt ja an mir, das weiß ich. Das Traurige und Dramatische an der Sache ist für mich einfach nur diese, das ich nicht weiß, wie ich dieses Handykap beheben kann. Geräusche, Stimmen filtern und der rest ausblenden können, anstatt alles gleichzeitig zu hören - das soll man angeblich lernen können. Aber wie? Das weiß ich nicht.
Bei dieser Situation hatte ich interessanterweise aber doch schon wieder meine Schwierigkeiten. Da ging ihre Stimme sogar bei der angenehmen, zarten Geräuschkulisse des Meeresrauschen und Wellen unter, im Waldstückchen hörte ich eher die Bäume vom Wind leise rauschen und rascheln und die Vögel zwitschern - aber die Worte verstehen und zu verfolgen wurde für mich sehr anstrengend, und ich bedauerte und ärgerte mich innerlich über diesen Umstand so sehr, weil das Gespräch doch so interessant war und ich sehr gerne mich mit der Frau unterhielt. Aber die Naturgeräusche um uns herum verschluckte ihre so schon etwas zarte, leise Stimmchen und was passierte - ich schaltete wieder ab. Scheiße. ... Ich konnte mir schon denken, wie das nach außen hin wohl wirkte, wenn das bemerkt wurde.
Gruß