Freitag, 29. Juni 2007

"Es war schön mit Dir zu Arbeiten"

Heute möchte ich mal wieder etwas aus dem persönlichen Bereich erzählen.
Seit Januar diesen Jahres 2oo7 arbeite ich in einer REHA-Klinik mit gleich zwei Job's: Zum einen arbeite ich an den Wochenenden im Bistro-bereich entweder im Küchendienst oder als Bedienung, und zum anderen unter der Woche frühmorgens als Reinigungskraft, die Patientenzimmern oder Praxen sauber machen. Es macht mir nichts aus, das ich nicht mehr meinen ursprünglich, gelernten Job - nämlich Bauzeichnerin, Fachrichtung Hochbau - ausübe. Denn als Bauzeichnerin sitzt man 8 Stunden am Tag vorm CAD und man hat nichts anderes zu tun als zeichnen, zeichnen, zeichnen, zeichnen... Auf Dauer sehr eintönig, anstrengend und todlangweilig.

Jetzt werden sicher Kritiker vielleicht verwundert sein, was am "Putzjob" denn so viel interessanter sein soll... Lasst es mich mal so erklären. Vom Intelligenzanforderungen und "Status" her (*Lieblingsguru, der nicht genannt werden will zuwink*) ist der Job als Reinigungskraft in der tat sehr anspruchslos. Man hat eine bestimmte Station und die macht man plump gesagt, sauber.
Das "interessante" dabei ist jedoch folgendes: Als Bauzeichnerin sitzt man 8 Stunden am Tag im stillen Kämmerlein vor dem Computer und der einzige Kontakt zu Menschen bildete der Vorgesetzte oder auch ab und an mal einen Bauherren. Als Reinigungskraft in einer REHA-Klinik jedoch, habe ich es täglich etwa mit hunderten von Menschen zu tun, Patienten, Schwestern, Ärzte und Kollegen. Und, man möge es mir glauben oder nicht, ich bin - nein, war - ein sehr, sehr kontaktscheuer, menschenängstlicher Person, bevor ich in der REHA anfing.

Anfang's war es wirklich ein täglicher, überwindender Sprung ins kalte Wasser. Doch im laufe der Zeit - und nicht unerheblich daran mitwirkend, mein intensives spirituelles Arbeiten und Schattenarbeiten, mit Hilfe von zwei Schamanen und einem Magier - verlor ich meine Furcht vor andere Menschen, und ich begann sogar, richtig spass daran zu haben, mich mit fremde Menschen zu unterhalten.
Meine Arbeitszeit ist oft von 5:30 Uhr bis10:30 Uhr. Das heißt, mir bleibt der rest des Tages für mich - und mir ist meine freie Zeit schon seit jeher wichtiger, als ein Ganztagsjob mit etwas mehr Geld. Das stand für mich schon fest, da ging ich noch in die Schule, da ich immer auf sehr traurige und dramatischer weise miterleben musste bei den eigenen Eltern, wie sie nach lange, 8-10 Stunden Arbeiten müde nach Hause kamen und ihre verbliebene Zeit damit verbrachten, sich vor der Glotze berieseln zu lassen und anschließend erschöpft ins Bett fallen zu lassen. Und was hatten sie davon? Ein paar lausige Kröten mehr, um einmal im Jahr irgendwo in den Urlaub fahren zu können. DAS war es mir nie wert gewesen, so war schon seit früher Kindheit an für mich das klar gewesen. Da verzichte ich auf mehr Lohn und habe dafür mehr Zeit für mich selbst und genieße noch einen halben Tag wo ich tun und lassen konnte, was ich will. In dem Fall widme ich den großteil meiner Freizeit damit, in verschiedene magische/esoterische Systeme zu studieren und an mir spirituell zu arbeiten!

Doch zurück zum Thema. Es ist erstaunlich, mit wievielen unterschiedlichen Menschen man es zu tun bekommt, und wieviel Abwechslungen man erfährt, wenn man in einer riesigen REHA-Komplex als sog. "Springer" arbeitet. Normalerweise haben Kollegen je eine fest eingeteilte Station - ein Bereich, den sie täglich bearbeiten. Als Springer fungiere ich aber als Urlaubs- und Krankheitsvertretung und komme überall hin, wo ich gerade gebraucht werde. Mal sind es Arztpraxen, Behandlungszimmern, Gymnastikhallen, Hallenbäder, Patientenzimmer, Kantinenbereiche, Verwaltungsbereiche. Wenn mich einer fragen würde, ob ich wieder in meinem alten Beruf als Bauzeichnerin zurück kommen wolle, oder lieber weiterhin als "Putzfrau" zu arbeiten - so fiele mir die Antwort sehr leicht! Auch wenn es für Kritiker dies als einen "niedrigeren Job" oder "unterster Status" ansehen würden, würde ich den Reinigungsjob hundertmal vorziehen, als wieder als Bauzeichnerin einzusteigen.

Nun - jetzt kommt noch ein dritter Punkt hinzu, weswegen mir der Job wirklich Spass macht. Ich habe in der Zeit, als ich in der REHA anfing, sehr viel gelernt und sehr viel an mir gearbeitet. Ich bekam mein Kontaktscheu und Menschenangst weg, und kann mittlerweile ohne Angstgefühle und Beklemmungen auf andere Menschen zugehen. Das hätte ich als Bauzeichnerin oder in einem anderen tristen Bürojob niemals gelernt. Darüber hinaus, konnte ich in der Zeit meine Kommunikationsfähigkeit schulen - und bin nach wie vor dabei, mich da zu verbessern. "Smalltalk" oder allgemein Unterhaltungen führen, war noch nie meine Stärke - und aufgrund meiner frühere Schüchternheit bekam ich auch einfach nicht die Zähne auseinander und war eine ganz stille, in sich gekehrte graue Maus. In der REHA blieb mir nichts anderes übrig mich mit den Leuten zu befassen - und als ich irgendwann den Punkt raus hatte, das es so schlimm garnicht ist, tat sich eine richtige Wendung in mir.

Gerade diese Woche bemerkte ich sehr krass, wie "weit" ich eigentlich schon gekommen bin... Ich kam auf einer Station, bei einer Kollegin, die ich zur Anfangszeit schon als eine ganz komische, mürrische Frau kennengelernt hatte. Nun war ich eine ganze Woche auf ihrer Station. Am Anfang meiner REHA-Zeit hatte ich ein bischen Bammel vor ihr, weil sie mir immer so komisch mürrisch rüberkam und absolut unnahbar und distanziert und pöpelig. Jetzt - wo sich bei mir selbst in der zwischenzeit sehr viel getan hatte in dem was ich alles gelernt hatte - arbeitete ich bewusst sowohl an unser Verhältnis als auch an meiner Kontaktängstlichkeit der Kollegin gegenüber. Schon nach drei Tagen begann diese Frau, regelrecht aufzublühen und ich sah sie das erste mal ehrlich lächeln, wo ich zuvor ihr Gesicht nur mit heruntergezogenen Mundwinkeln und reingefressene Sorgenfalten in der Stirn kennenlernte! Es bereitete mir eine irre Freude, diese in sich gekehrte, mürrische, ja scheinbar fast depressiv veranlagte Frau aus sich "herauszulocken", was mir auch hervorragend gelang, und am vierten und letzten Tage verstanden wir uns wirklich sehr gut, und ich merkte regelrecht, das sie mich richtig mochte und meine Anwesenheit zu schätzen lernte. Denn sie suchte immer öfters meine Nähe (wo sie zuvor sehr distanziert wirkte) und es war ihr anzumerken, das sie gerne mit mir sprach. In der Zeit fand ich so einiges raus, was sie so mürrisch machte und verstehe sie nun um einiges besser.

Gegen ende unserer Arbeitszeit am Freitag, wo ich das letzte mal da war auf dieser Station, sah ich sichtlich bedauern in ihrem Gesicht, das ich nun ab nächste Woche wieder woanders bin. Ihre Worte an mich abschließend, ging runter wie Öl und es gab mir wirklich sehr, sehr viel, mehr als ich gedacht hätte, und hätte nicht gedacht wie gut das tut, so etwas zu hören zu bekommen: "Es war schön mit Dir zu arbeiten". Aufrichtige Worte, vom Herzen und sehr freundschaftlich... mit einer Spur von Bedauern, das ich nun wieder weg gehe. Diese art von "Bestätigung", welches wie "Balsam für die Seele" ist, ist für mich so viel mehr wert, und tut einem einfach so gut, das könnte man garnicht mit Euro aufwiegen - denn das ist für mich Lohn genug.
Ich glaubte sogar, das erste mal sowas wie eine kraftvolle Welle possitiver Energien gespürt zu haben, erzeugt von diese aufrichtigen Worte... was mich wirklich sehr erfüllte, Bestätigung gab und mich einfach unheimlich freute, etwas possitives bewirkt zu haben - nämlich sie auf einer etwas höheren "Tonstufe" zu bringen, einfach durch meine possitive und angenehme Ausstrahlung und ein klitzeklein wenig mit gezielten, fragenden Worten, um sie etwas aus sich heraus zu bringen....

Viele liebe Grüße
Singar

Kunst - Collage von Singar

Na - mal ehrlich... wer würde sich dieses Bild als Kunstdruck im großem A1-Format aufhängen? Ich finde dieses Bild einfach klasse ^^ Es ist vor etwa einem Jahr entstanden.
Verwendete Software: Corel Photopaint 10 und GraphikDesign Plugin für Collagen.

Viele Grüße
Singar



(Klicke auf das Bild für Originalgröße)

Dienstag, 26. Juni 2007

Zwei Autobiographische Text-Relikte

Beim stöbern alter Texte von mir, bin ich hier und da auf alte "Relikte" gestolpert, was ich mal niedergeschrieben habe.
Hier zwei kleine Mini-Geschichten, die auf wahre begebenheiten beruhen - oder besser gesagt, sowas wie ein kleiner Abriss einer Autobiographie von einer Person bildet.
Nichts besonderes an sich, aber vielleicht dennoch lesenswert, mit der Hintergrundgedanke, das nichts davon hier erfunden ist...

Zeit: 21.09.1990
...Der Dimensionsriss bedrohte nicht nur dieses Sonnensystem, sondern den ganzen Raumsektor, wenn er sich selbst überlassen blieb. Captain Hunter hatte deutlich auf seine Bereitschaft hingewiesen, Schiff und Crew zu opfern, um eine so enorme Gefahr zu beseitigen. Er würde gewiss nicht zögern, von den Waffensystemen der Starliner Gebrauch zu machen.
Hunter sah Melora an, lächelte freundlich und befreite sie damit aus ihren deprimierenden Grübeleien. Sein jungenhaftes, ernstes Gesicht entlockte ihr ein Schmunzeln. Doch das lächeln blieb nicht lange erhalten. Einmal mehr sah Melora das schreckliche Erinnerungsbild toter Alpusta, die an der Außenhülle hingen und im All schwebten, wie lheller Seetang in einem mit Tinte gefüllten Tank.
Barcley sah besorgt nach oben, streckte den arm und drückte Meloras Hand. "Alles in Ordnung?" "Ja, es geht mir besser", hauchte sie und drückte ebenfalls kurz zu....
Plötzlich ging die Haustür mit einem energischen "klickklack" von einem überfüllten Schlüsselbundes auf, und Betina schrack aus ihrem Buch auf. Ihr Herz machte einen Satz und sie brauchte zwei Sekunden um sich wieder ins Hier und Jetzt zurückzufinden. Anhand charakteristische Geräusche erkannte sie, wer die Haustüre hereingeschneit kam. Doris. Bello, ihr Mischlingshund kam ebenfalls schwanzwedelnd hineingetrabbt und begrüßte Betina mit einem kurzen auffordernden Nasenstump eher er sich sogleich lautschlappernd über dem Wasserschüssel hermachte.
"hallo", grüßte Betina fast etwas zu leise.
"Hallo!", erwiederte ihre Stiefmutter leicht abgehetzt und in abwesend monotoner stimme. Sie warf ihr praller Schlüsselbund mit paar anderen Zeugs auf dem Küchentisch woran Betina mit einer gemütlichen Tee und Buch saß. Der Knall ließ sie zusammenzucken. Innerlich reagierte Betina etwas gereizt über diese eingetretene Hektik vor ihrer Nase, aber äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. Schließlich atmete sie tief durch und widmete sich wieder dem Buch. Doch so sehr sie sich bemühte, konnte sie Doris' lautes herumeilen und irgendwelche hektische Dinge nachgehend, nicht ignorieren und schon garnicht überhören! Betina konnte schon aus ihren Augenwinkeln mal wieder von Doris' langgezogenem Gesicht ablesen, das sie wieder in Hetze und über irgendwas schlecht drauf war. So gesehen war das nichts neues. In ihr machte sich ein Gefühl des Unwohlseins breit. Vielleicht half ein schluck Tee, ihr aufkommendes flaues Gefühl im Magen zu beruhigen und goß sich noch etwas Tee in ihrer Tasse. Der Duft exotisch-süßlichen Mangotees stieg ihr in die Nase den sie sowohl gerne roch als auch trank. Das Teetrinken und ein gutes, spannendes Buch lesen war für sie schon fast eine Zeremonie, den sie gerne morgens vor der Schule und gelegentlich auch Nachmittags zelebrierte. Es half ihr, aus der grauen Welt des Alltags in die bunte Welt der Helden zu schlüpfen. Gedankenverloren machte sie sich dazu drei Teelöffel Zucker in die Tasse und rührte gemütlich um.
"Zuviel Zucker ist ungesund!" belehrte Doris Betina.
Ärger kam in Betina hoch und ihr Gesicht versteinerte sich. Sie hatte keine Lust auf eine Diskussion, wo sie sowiso immer den kürzeren zog. Sie zuckte mit den Schultern als Antwort. Als wäre es das Wichtigste der Welt, konzentrierte sie sich noch mehr auf ihre Tasse und trank ihn mit genüßlichen kleinen zügen. Aber ganz so sehr, konnte sie den Tee nicht mehr genießen. Wann geht sie jetzt endlich aus der Küche? dachte sie nun wirklich gereizt und fühlte sich immer mehr von ihr gestört. Seltsam das die Anwesenheit Doris' in der Küche bei ihr immer öfters ein zusammenziehendes Gefühl im Bauch auslöste, welches sie noch immer nicht ganz definieren konnte. War es Angst? Wut? Frust? Oder von allem etwas? Wie auch immer, es war Unangenehm. Sie nahm sich wieder ihr Buch vor und zwang sich weiterzulesen und ignorierte so gut wie sie konnte die aus dem Nichts aufgebauten Spannungen in der Luft.
..."Wir haben noch genug Zeit, den Dimensionsriss zu schließen", betonte Hunter. "Nehmen wir an, meine Leute können Ihre Kraftfelder mit Energie versorgen, lange genug für einen Reboot des fraktalen Programms...
"Ist die Strasse schon gekehrt?!" fragte Doris in einem fordernden Ton. Betina schluckte ihren hochkommenden Wut herunter was zum Ergebnis führte, das ihr flaues schlechtes Gefühl in der Magengegend noch mehr verstärkte.
"Ne hab ich noch nicht!", antwortete sie mit beherrscht klingender Tonfall. Sie schlug mit leicht fahriger Bewegung ihr Buch zu und griff mit beiden Händen an die Tasse und trank, als wäre das Lebenswichtigste im ganzen Universum. Sie fühlte, wie sie sich innerlich vollkommen zuschottete. Aber leider nutzte dies nichts, das wusste sie. Betina vermied jeglichen Blickkontakt zu Doris. Sie konnte ihr ständig vorwurfsvollen Blick längst nicht mehr ertragen.
"Dann mach das bitte heute noch!" bestimmte Doris in einer für sie typisch launischen Ton und zog eilig wieder ihre Jacke an.
"Bello", rief Doris nach ihrem Hund. Irgendwo in der Wohnung kläpperte das Halsband des kniehohen Mischlings. Mit einem "trabb-trabb" kam der Hund schwanzwedelnd herbeigewetzt und gab freudige schrille quitschlaute von sich als wüsste er, was nun folgte.
"Jaa, wir gehen jetzt Gassie" munterte Doris den Hund auf, was zum ergebnis führte, das der Hund nun ganz durchdrehte und laut bellte. "Aus, nicht bellen. Komm her, anleinen! So ist das brav..."
Betina kochte nun innerlich. Wieso klang Doris soviel liebevoller wenn sie mit dem blöden Köter spricht? dachte sie mit einem giftigen Seitenblick auf das Tier. Sie wusste nicht, ob sie sich es einbildete, jedenfalls hasste sie den Köter dafür, das er nach ihrer Empfindung nach mehr Aufmerksamkeit bekam als die 16jährige Betina. Es war lächerlich auf einen Hund eifersüchtig zu sein, und diese Lächerlichkeit machte es ihr erst recht nicht einfach.
Der Hund quitschte und Bellte und sprang hin und her und konnte es nicht abwarten. Natürlich wollte er am liebsten sofort hinauswetzen und machte seine Freude in aller Lautstärke kund. Betina verzog entgültig genervt das Gesicht vom für sie sehr unangenehm lautes Jaulen und Bellen des Hundes. Schmollend nahm sie reißaus und verschwand aus der Küche in ihrem Zimmer. Das wars wohl mit Zurückziehen in einem Schmöcker und Tee. Blödes Vieh, dachte Betina wütend und machte die Türe zu. Jeden Tag das gleiche Theater. Hund hier, Hund da. Ist das Vieh denn so viel Wichtiger? Sie stellte sich an ihr einzigstes Fenster und starrte hinaus. Der Herbst forderte schon fast alle Blätter der Bäume ein und der Himmel war graubedeckt und machte nicht den Eindruck, als wolle er heute noch ein funken Sonnenstrahl hindurchlassen.
Sie hörte die Haustüre zuschlagen. Das tribbeln und treten im Treppenhaus verriet ihr, das Doris mit dem Hund endlich fort war. Betina atmete erleichtert auf. Erst jetzt bemerkte sie, wie verkrampft sie sowohl innerlich als auch äußerlich war und entspannte sich bewusst. Sie blieb noch eine weile am Fenster stehen, bis sie Doris und Bello unten hinaus Richtung Hundeplatz laufen sah. Doris warf dem Hund ein Tennisball zu, den er mit Begeisterung auffing und spielerisch zurückbrachte. Der Groll gegen Doris und den Hund wich einer Frustration der sich wie ein weiterer Tropfen in einem gutgefüllten Fass hinzufügte. Mit einem Ruck drehte sie sich um und kam wieder aus ihrem Zimmer hervor. Welch' eine Ruhe, dachte sie und lauschte. Betina begrüßte sehr die eingetretene Stille. Kein herumkläffender Hund, kein herummotzende Doris mit Ausrufezeichen in jeder ihrer Sätze; nur ruhe und frieden. Betina setzte sich wieder zu ihrem Tee am Küchentisch und nahm ihr Buch wieder zur Hand. Verdammt, ärgerte sie sich. Jetzt ist die Seite weg wo ich gelesen habe vom ganzen hickhack. Die innere wut ignorierend blätterte sie in ihrem 500-Seiten-Wälzer herum und suchte die Stelle, wo sie vorhin unterbrochen wurde.
....."ein anderer Shuttel ist hierher unterwegs, aber es trifft erst in etwas sieben Stunden ein"...Dann mach das heute noch!!...Der Captain verzog das Gesicht. Immer wieder kam es zu einem neuen Schwierigkeiten und Verzögerungen....Der Schlüsselbund knallte auf dem Tisch....Eine kurze Pause folgte und dann antwortete Melora: "Die Distanz beträgt etwa vierhundert Kilometer Luftlinie." "Wir haben Düsenaggregate und können daher...Der belehrende Tonfall echote erneut "Zuviel Zucker ist ungesund!"...aus eigener Kraft fliegen", sagte Hunter. "Lore, haben die Aggregate eine Reichweite von vierhundert Kilometern?"..."Jaa, braver Hund, wir gehen Gassi!"..."Aktivieren Sie das Peilsignal des Shuttels, Commander Troi und... Ärger kommt in Betina hoch und zwang sich immer krampfhafter weiterzulesen..."In der Schwerelosigkeit beläuft sich ihre Reichweite sogar auf 600 Kilometer", antwortete...Doris' motziges Gesicht fraß sich immer mehr in ihr Gedächtnis.."..empfange das Signal, Sir". "Wir sind so schnell wie möglich bei Ihnen... Vorwurfsvolle Blicke streiften sie ...Captain Hunter gab den Befehl...
Betina knallte zornig das Buch zu.
Es hatte keinen Sinn mehr. Sie laß zwar die worte, doch ihre Gedanken drehten sich immer wilder wie in einem Teufelskreis. Verdrießlich schob sie das Buch von sich und trank ihren Tee aus. Sie konnte nicht mehr abschalten. Obwohl die Unterbrechung von Doris sich nur um eine Lapalie handelte, fühlte Betina sich dennoch nun mieß und irgendwie... angesteckt von Doris' mitgebrachte schlechte Launen. Warum bloß reagiere ich immer nur so sensibel?, fragte sie sich bestimmt zum millionsten male. Immer mehr nahm sie sich vor, jegliche Blickkontakte zu ihr zu vermeiden, denn die Blicke trafen sie wie Messerstiche direkt in ihrem Herzen. Gleichzeitig ärgerte sie über sich selbst, weil sie sich so aus der Ruhe bringen ließ. Sie konnte nicht abwägen, über wen sie wütender war. Über sie, oder über sich selbst. Nichtsdestotrotz änderte nichts an der Tatsache, das sich ein weiterer Tropfen des Selbsthasses hinzugefügt hatte, aufgrund ihrer verhassten Unfähigkeit, nicht einfach gelassener über so Unsinn zu bleiben.
Vom Alltag wieder eingefangen stand sie auf, räumte den Tisch ab und verzog sich wieder in ihr dunkles und ewig-kaltes Zimmer. Ihre Gedanken drehten sich immer und immerwieder im kreise und die Szene in der Küche spulten sich ständig von vorne ab. Sie seufzte resigniert - sie konnte ihre eigenen, sich ständig im Kreis drehende Gedanken nicht abschalten. Warum war das so? fragte sie sich immer. Doch sie fand nie eine Antwort. Irgendwann - sie wusste nicht ab welchem Zeitpunkt ihres Lebens - hatte sie gelernt, unangenehme Situationen in ihrer Fantasie einen anderen Ausgang zu verleihen. Es gab ihr schließlich ein kleines bischen Genugtuung zu träumen, das sie "gewonnen" hatte; Das sie das letzte Wort behielt; Das sie sich behaupten und wehren konnte das es sich nur so gewaschen hatte.

~*~*~*~
Zeit: 22.09.1990
Der Tag begann wie jeder andere auch, morgens um acht uhr in der Hauptschule. Betina warf ihr Schulranzen in die Ecke und lümmelte sich auf ihrem Platz Die Schüler ihrer Klasse um sie herum tobten und schrien und strapazierten sehr ihre Ohren. Stifte flogen durch die gegend, Stühle wurden umgetreten. Ein paar jagten sich über Tische springend hinterher ohne rücksicht auf umgerennte und angerennte Schüler. Betina konnte es nicht fassen, das dies das neunte und letzte Schuljahr war. Für sie war das ein Irrenhaus, keine Schule. 23 Schläger, 7 Italienerinnen, drei deutsche Schülerinnen. Vor den Italienerinnen hatten die Jungs etwas respekt, Betina fand nie heraus weswegen. Vielleicht weil sie immer zusammenhielten? Weil sie ne Italienische Mafia haben könnten? Sie und die zwei andere bemitleidenswerte deutsche Mädchen waren für die Klasse lebende Sandsäcke für 23 agressive assoziale Brutalos. Betina hatte seit der 6. Klasse gelernt, alles zu vermeiden, das als Provokation ausgelegt werden könnte. Vermeidung jegliche Blickkontakte war das A und O, wenn man in dieser Schule "überleben" wollte. Mit gesenktem Kopf kapselte sie sich vollkommen ab und schien mental die höchsten und dicksten Mauern um sich zu errichten, und mit desinteressiertem Gesichtsausdruck wartete sie, bis endlich ein Lehrer kam. Blickkontakte vermied sie wie sie nur konnte - denn sonst erinnerten die Schläger sich höchstens nur daran, das sie schon lange nicht mehr Betina eins verpasst hatten, oder auf dumme ideen kommen, wie z.B. ihr Ranzen aus dem Fenster zu schmeißen oder voll Wasser laufen zu lassen - mitsamt Bücher und Hefte versteht sich. Wie sollte man sich schon gegen solche Gemeinheiten wehren? Die Lehrer auf dieser Schule waren selbst allesamt machtlos. Ihnen waren die Schüler genauso scheissegal wie die Schüler den Lehrern. Und alleine gegen 23 zusammehaltende Schläger angehen? Nicht auszudenken! Ebenso musste sie auch früh lernen in Äußerlichkeiten so wenig wie möglich aufzufallen. Ein ungekämmtes, ungeschminktes Mädchen mit strähnige 08/15-Haare, alte Schlapperpulli und abgewetzte Jeans verlor sich weitgehendst ungesehen in der breiten Masse. Eine gute Chance, unbemerkt zu bleiben. Nie vergaß Betina, wie sie neu auf dieser Schule kam, und den Fehler machte, einen Rock anzuziehen, sich bischen die Haare zu machen, einfach hübscher auszusehen. Diesen "Fehler" machte sie nur ein einzigstes mal in ihrem Leben.... Sie zog die Aufmerksamkeit und somit auch Ärger und Gemeinheiten an, wie das Licht die Motten anzog! Sie war das Zentrum von Demütigungen, Gespötte und Beleidigungen. Wenn sie sah, was so andere Mädchen durchmachten während den Pausen, war sie relativ gimpflich davongekommen. Aber dennoch - der Preis war hoch. Sie durfte keinerlei weibliche reize zeigen. Nichts!
Und nicht zuletzt musste sie lernen, den Mund zu halten und egal was passierte, so passiv wie möglich bleiben. Beleidigungen einfach über sich ergehen lassen und sich nicht provozieren lassen. Wenn man sich wehrte, so zog man sich erfahrungsgemäß noch mehr Ärger hinzu und für den Schläger machte es erst recht richtig spass! Wenn man sich einmischte, um eine Schülerin zu helfen, so wurde man bestraft und plötzlich wurde man selbst zum Sandsack seelische Demütigungen und Gehänsel.
Kinder konnten Grausam sein. Unglaublich Grausam. Jugendliche noch viel Grausamer, das wusste Betina. Aber womöglich lag es an der hier zum größtenteils herrschende Sozial unterste Schicht.
Stillschweigend wartete sie bis endlich ein Lehrer kam und beobachtete von unten herauf die Schüler die scheinbar am durchdrehen waren. Die sieben Italienermädchen saßen ganz eng beieinander wie verscheuchte Hühner und unterhielten sich scheinbar alle gleichzeitig ohne punkt und atemholen auf italienisch.
Plötzlich knallte ihr ein Schulmäpchen ins Gesicht, gefolgt vom Gelächter und abfälliges Brüllen. Verärgert schaute sie hoch und funkelte den Werfer an der mit dem Finger auf sie zeigte und wie ein irrer Hyäne lachte: "WUAAAA DAS FRATZGESICHT!!! Los, schmeiss das Mäpchen zurück du Drecksau!!" Kumpanen scharrten sich um ihn und beteiligten sich amüsiert mit Beleidigungen und Auslachen. Betina fühlte sich zutiefst gedemütigt und es kostete ihr viel Kraft dies nicht zu zeigen. Denn somit hätten diese Irren noch mehr Freude daran, sie zu demütigen.
"Frankensteins Monster! Hau ab mit deiner Fratzgesicht!!!", schrie ein anderer Schüler. Die Beschimpungen "Frankensteins Monster" und "Fratzgesicht" bezog sich auf eine hässliche, lange Narbe an ihrer Stirn. Es war immerwieder beschämend, für etwas verflucht zu werden, wovon sie nichts konnte. Aber so waren sie nun mal... Wieviel Grausamkeit konnte man ertragen? Vielleicht konnte Betina diese Frage irgendwann beantworten, dachte sie sich, und schluckt das Gehörte kommentarlos runter.
Eines der Italienermädchen kam herbei. "Sorry", entschuldigte sie sich und holte ihr von den Jungs geklautes Mäppchen wieder zurück. Betina rang für sie ein kurzes Lächeln ab. "Wofür?" murmelte Betina. Die Italienerinnen konnten zwar einem mit ihrem Geschwätz auf die Nerven gehen, aber eines musste man ihnen lassen. Sie waren immer nett zu ihr. Die einzigsten in diesem Irrenhaus!
Endlich kam die Lehrerin herein - nach fünfzehn minuten Verspätung. In den letzten Monaten war es nichts neues, das sie ständig zu spät oder garnicht kam. Nur allmählich kehrte in der Klasse ruhe ein, als die magersüchtige knochige Frau Lauer mehrmals die Klasse streng ermahnte und auf ihre Plätzen befahl. Betina mochte die Lehrerin nicht. Das einzigste Gute an ihr war, das in ihrer Anwesenheit die Brutalos sich einigermaßen zusammenhielten.
"Block raus; Name drauf; auseinandersetzen und RUHE!", maulte die Lehrerin übelgelaunt. Ein allgemeines aufstöhnen erklang in der Klasse. Die Klasse hoffte doch nicht tatsächlich darauf, das sie den angesetzten Deutschdiktat heute vergessen würde? dachte Betina und bereitete ein Blatt vor. Gelangweilt beobachtete sie, wie die Lehrerin sich noch einen dicken Kaugummi in den Mund schob und gnadenlos nuschelnd und kaugummikaugend das Deutschdiktat diktierte.


~ Ende ~


(Alle Namen in dieser Erzählunge sind abgeändert)


Mittwoch, 20. Juni 2007

Seele trifft Seele

Seele trifft Seele, wenn Augen sich finden...
vom Schicksal geführt, sich zwei Seelen verbinden.

Denken und Fühlen, weit jenseits vom Verstehen...
gestehe sie ein, sie sind kein vergehen.

Seele trifft Seele, wenn Hände sich berühren...
Höher schlagende Herzen, sie werden euch führen.

Vergessen sei die Stille, Vergessen die Einsamkeit,...
keiner mehr ist alleine, lang lebe die Zweisamkeit.



- Singar - 1991

Montag, 18. Juni 2007

Warum Magie?

Warum beschäftigst Du Dich mit Magie ?
Ich beschäftige mich mit Magie, weil ich davon überzeugt bin, das darin meine wahren Talente verborgen sind. So wie ein Maler gerne Bilder malt, weil er ein Künstler ist. So wie ein Musiker Musik macht, weil in ihm ein musikalischer Komponist steckt. So mache ich Magie, weil in mir ein Magier steckt.

Was ist Deine Motivation ?
Im einzelnen? In erster linie möchte ich Magie wirken um andere zu helfen (jaja, hab so ein ausgeprägtes Helfersyndrom ). Ich möchte mich mit meine Talente nützlich machen können. Was wäre es für ein vergeudetes Talent, wenn man es nur für egoistische Ziele verwenden würde? Ich habe Freude daran, helfen zu können, auf eine eben eigene art und weise.

Warum hast Du überhaupt angefangen Dich mit Magie zu beschäftigen ?
Man folge dem Ruf seiner Wahren Natur - und es steht überhaupt nicht mehr in Frage, warum man überhaupt damit angefangen hat sich damit zu beschäftigen. Das ist einfach so. Als ich anfing, mich für Magie zu interessieren, war es anfangs eher egoistische und oberflächlichere Gründe. Aber das hat sich von ganz alleine und automatisch sehr schnell gegeben und es sich gelegt.

Was kann man mit der Magie alles erreichen ?
Frage mal einen Musiker, was er mit seinem Musizieren alles erreichen kann. Man könnte die Antwort fast Analog nehmen. Aber um es mal in meine Worten auszudrücken... Magie ist nicht nur für sich selbst und für die Seele (so wie die Musik beim Musiker), sondern auch für das Allgemeinwohl, etwas zum "weitergeben" (so wie vielleicht der Künstler seine Inspirationen weiterreicht).

  • Ich betrachte Magie als Werkzeug, als Philosophie, als Lebenseinstellung
Magie ist wie ein Fahrzeug. Es kann Dich weit bringen, oder wenn man zu schnell fährt Dich auch jäh in einen Graben schleudern. Es kann Dich gezielt von Punkt A nach Punkt B bringen, oder man kann sich aber auch ganz schön verfahren und sich verirren.

Was wäre das Beste, was Dir Magie geben kann?
Zufriedenheit. Und zwar Zufriedenheit sowohl für und mit sich selbst als auch Zufriedenheit für die Mitmenschen, die man hilft, helfen kann, und noch helfen wird. Langfristig betrachtet, wünschte ich mir, meine Talente voll ausgereift einsetzen zu können, um Gutes bewirken zu können, um helfen zu können, um etwas possitives bewirken können, um - auch wenn's etwas kitschig klingen mag - "die dunklen Seiten der Macht" etwas entgegenhalten zu können.
Viele Grüße
Singar

Samstag, 16. Juni 2007

Zhanghentja I

Srianka Tirinogh seufzte und rieb sich die Stirn, als sich erneut Kopfschmerz hinter ihrer Stirn breit machte. Wieder einmal fühlte sie sich, als lägen Bleigewichte auf ihrer Schulter und übte so heftigen Druck aus, das ihr der ganze Rücken und auch den Kopf schmerzte. Wie lange schon saß sie in dieser vornübergebeugte Haltung? Vier Stunden? Sechs Stunden? Acht?... Sie wusste es nicht mehr. Das diffuse Tageslicht der zweiten Mitternachtssonne warf lange, neblige Strahlen in ihr luxuriös ausgestattetes Arbeitszimmer und verriet ihr, wie spät es schon wieder geworden war. Lauwarmer Sommerluft strich durch das offene Fenster hinter ihr und brachte einen leicht salzigen Geruch des Meeres und Nachtblumen mit. Die tiefstehende Mitternachtssonne strahlte in kräftiger gelborangene Farben und verwandelte sowohl ihr Arbeitszimmer, als auch das ganze Land unter dem Palast in goldene Farben. Dies ist eine der wenigen von neun Jahreszeiten, den die Zhanghentjanerin liebte.
Als sie wieder aufblickte, stand der junge Abgesandter immernoch so da wie vor fünf Mikrons*. Mit strammer, brustgeschwellter Haltung, in respektvoller Abstand vor ihr überdimensionierter, verschnörkelter Mahagonieschreibtisch und in blauweise Uniform der Rogrissianische Kontrollgarde der Nördlichen Hemisphäre. Sria musterte ihn von oben nach unten und sie fragte sich: was ist nur aus uns geworden? Srianka Tirinogh war die Königin der Südlichen Hemisphäre und seit 25 Jahren Herrscherin seit dem Tod ihres Ehegatten. Diese letzten zwanzig jahren wurden aber immer furchtbarer für sie. Der Krieg der seit dem Tod des Königs noch mehr denn je tobte, erschien ihr so sinnlos.. so viele vergeudete Zhangtleben und Ressourcen... Sie konnte es einfach nicht verstehen warum dies alles passieren musste. Vielleicht wird sie es nie verstehen.
Wieder betrachtete sie die Schriftrolle vor ihr, den der Abgesandte ihr überreicht hatte. Das Material des Schriftstücks war ihr fremd.. Aber daran hatte sie sich schon gewöhnen müssen.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine kurze, unruhige Bewegung des Abgesandten der immernoch vor ihr stand und wartete. Sria roch seine Nervosität und spürte seine geistige Verschlossenheit. Er war noch zu jung um seinen Körper und Geist zu beherrschen und sie erhaschte hin und wieder ein Gedankenfetzen von ihm, erfüllt von Furcht. Schließlich riss sie sich von ihre Gedankengänge los, blinzelte mit ihren typisch großen, Zhanghentjanischen Augen und straffte ihre schmale Schultern.
Sie öffnete den Mund um zu Antworten, stockte jedoch wieder... Wie lange wird es wohl noch so weitergehen? Diese Frage ging ihr mittlerweile schon mehrmals täglich durch den Kopf. Schließlich antwortete sie mit rauher, aber dennoch warmer stimme:
"Meine Antwort lautet 'Nein', Abgesandter" Mit gütiger Blick beobachtete sie das erschrockene Blinzeln des Gegenübers. Auch er fürchtete sich vor dem, was kam.. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Der junge Zhanghentjaner richtete seinen Blick zum ersten mal seit seinem Betreten in ihre Räume auf sie und schaute sie an, als suche er nach einer anderen Antwort. Er verletzte mit dem direkten Blickkontakt zur Herrscherin der Südlichen Welt sicherlich eines der vielen, sinnlosen Verbote, die die Rogrisse seit der Übernahme der Nördlichen Halbkugel aufstellten.
"Ist.. das alles, was die Mylady ausrichten wird?", fragte er und blickte wieder starr an ihr vorbei. Tief in Srianka's innern hatte sie unendlichen Mitleid für diesen jungen Mann und für alle anderen leidenten Zhanghentjaner die den Rogrisse untertan wurden.
"Ja. Geht nun... Möge uns das Licht erhalten bleiben", Sagte sie gütig. Eine uralte, zhanghentianische Grußformel... sicherlich war dieser einfache aber doch so vielsagender Satz noch nie so aktuell und häufig gesprochen wie sonst in der ganzen Zhanghentjanischen Weltgeschichte.
Der Abgesandte schloss kurz zum Abschied die Augen, verneigte respektvoll seinen Haupt und ging mit zwei Schritt rückwärts hinaus. Sria spürte seinen wunsch, ihren Gruß zu erwiedern, aber offenbar hatten die Rogrisse zu viel Macht über ihn. Die großen, zweiflügligen Tore schlossen sich hinter ihm und Sria war wieder alleine. Ihre Schultern sackten in sich zusammen als gäben sie unter den Bleigewichte nach und sie schloss die brennenden Augen. Mit dieser Antwort verurteilte sie weitere hunderte von Zhanghentjaner zu tode. Aber vielleicht rettete sie dadurch tausende. Sie wusste zwar das ihr Volk mit jeder ihrer Entscheidungen hinter ihr stand. Aber dieses Wissen half ihr nicht darüber hinweg, das dennoch jedes ihrer Entscheidungen ein Todesurteil vieler Unschuldiger bedeuten konnte. Sie hatte keine andere Wahl. Diese Tatsache schmerzte sie tief und brannte in ihrer Seele.
Sie öffnete wieder die Augen und schaute auf die kleine Pastellzeichnung rechts neben sie. Es zeigte sie, ihr Ehemann und das kleine Baby Vaya in Armen und in einer idyllischen Landschaft. Zu einer Zeit erstellt, als es noch keine Rogrisse gab. Eine Zeit wo sie glaubten, sie wären die wahren Wesen Zhanghentjas. Das Bild zeigte Milwo in seiner glanzvollen, königlichen Gewand, sie selbst in ein wunderschönes Kleid und ihr erstgeborenes in den Armen. Srianka's tiefgrüne Augen glänzten unter Tränen und Schmerz des Verlustes, den sie nach 25 Jahren immernoch nicht verwunden hatte.
Plötzlich bemerkte sie eine Bewegung. Ein Seitentür öffnete sich lautlos und blieb zu einem spalt offen. Sria spürte drei kleine klopfende Herzen. Sie schaute auf und noch bevor sie die drei paare große zhanghentjanische Augen verstohlen durch die Türspalt spähen sah, wusste sie schon längst wer sich hineinschleichen wollte.
"Vaya, Kimba, Venka", rief sie liebevoll zu ihren drei Kindern. Sofort sprang die Tür ganz auf und drei lachende Kinder stürmten hinein. Auf nackten Füssen und in Nachthemden hüpften die drei auf ihre Mutter zu und rangen um den Platz auf ihren Schoß, bis sie es schafften alle drei auf ihr zu turnen. Srianka empfing sie mit gütigem lachen und ließ ihre trüben Gedanken von drei lebhaften Geistern verscheuchen.
"Wir können nicht schlafen", platzte die älteste Tochter heraus und zog die Füsse hoch. Vaya schaffte es tatsächlich in ihrer größe Platz zu finden.
"Ich bin auch nicht müde!", protestierte die jüngste namens Valenka heraus und klammert sich an Sria's Hals um nicht von Vaya weggedrängt zu werden. Srianka quittierte das kleine Gerangel um ihren Schoß mit einem ächzen und hatte Mühe, alle drei auf einmal aufzunehmen. Das erheiternde geschnatter und quitschen ihrer Kinder lies sie für einen Augenblick die Sorgen vergessen.
"Kimba will immer die Sonne sehen wenn er sich hinlegt, wie sollen wir dann ein Auge zu machen?", sagte Vaya etwas mürrisch und pickste mit der Zeigefinger auf Kimba's Brust. Der Bruder schaute sie nur mit seinen Purpurnen Augen groß an.
"Können wir nicht doch noch bischen spielen gehen?", bettelte Venka und zappelte unruhig als sie herunterzurutschen drohte.
"Kimba hat Hunger, ich auch!", warf Vaya wieder ein. Wie immer, wenn sie etwas wollte suchte sie erst den Vorwand bei ihrem Bruder. Sria durchschaute sie in dieser Hinsicht natürlich immer, aber lächelte darüber nur Gütig.
"Du bist ein Fresskopp", sagte Venka zu Vaya.
Sria schaute verblüfft zu ihren jüngsten Tochter: "Aber Venka.. wo hast du das gelernt", sagte sie tadelnd. Sofort senkte die kleine schämend ihren goldgelben Schopf. Vaya kicherte.
"Das hat sie vom alten Depater!", rief Vaya. "Er hat noch mehr schlimme Wörter gesagt
"Depater? Du meinst unseren Gärtner?", lächelte Sria. Vaya nickte heftig den Kopf.
"Petze", murmelte Venka. Daraufhin knuffte Vaya ihre schwester und noch eher Sria sich versah, rangen sie miteinander.
**hört bitte auf!** sagte Srianka telephatisch zu ihren tobenden Kinder auf ihrem Schoß. Sofort hörten sie vom telephatischen ruf auf und schauten sie mit großen, kindlichen Augen an. Sria setzte sie einen nach den anderen auf dem Boden wieder ab. **Ihr seid mir zu Schwer, ich kann euch alle drei nicht mehr länger tragen** sagte sie liebevoll telephatisch. Sie schaute den etwas verstört wirkende Kimba an, der stets einen kleinen bunten Stoffhummel im Mund hatte. Seit dem Tod des Vaters sagte der Junge keinen Wort mehr und blieb stumm. Wo er früher so lebhaft wie selten sonst ein Zhanghentjanisches Kind war, so war er seitdem wie in sich gekehrt und verschlossen. Selbst seine telephatischen Fähigkeiten litten darunter. Sria brach das Herz den Jungen so zu sehen. Die Heiler sagten, das nur die Zeit seine Wunden heilen konnten. Aber wieviel zeit noch?
"Ok, ich mach euch ein vorschlag", sagte Sria wieder verbal, damit auch ihr Sohn sie verstand. Sofort richteten sich die Kinderaugen gespannt auf sie.
"Ihr dürft, während der langen Sommermonate drei Stunden länger aufbleiben..." Sria wurde vom Jubeln Vaya's und Venka's übertönt die freudig auf und ab hüpften. Kimba legte nur fragend den Kopf schief und zeigte keine Emotionen.
"... aber dafür möchte ich...", sie wartete bis sie wieder Gehör hatte. "... das ihr drei eine Stunde Telephatie-Unterricht mehr am Tag bekommt.
Sofort verrutschten die Gesichter.
"Oh, Mama, das ist nicht fair!", protestierte die älteste.
"Unfairness ist, wenn man keine Wahl hat", belehrte Sria sie gütig. "Geht nun in eure Zimmer. Heute dürft ihr etwas länger aufbleiben. Aber dann möchte ich, das ihr mir sagt, was ihr möchtet." Sria hauchte allen drei einen Kuss auf die Stirn. "Und jetzt husch in eurem Zimmer, ihr süßen."
"Dürfen wir kurz einen Abstecher in die Küche machen?", fragte Vaya
"Du bist doch ein Fressk-", Venka bekam die Hand ihrer großen Schwester auf die Lippen gepresst um ein Weitersprechen zu verhindern.
"Ich schicke euch Penelope vorbei, sie wird euch was machen", versprach Srianka.
"Ok", grinste Vaya und rangelte dabei mit Venka die versuchte sich zu befreien. Juxend rannten sie durch die Seitentür wieder hinaus und man konnte sie noch lange durch die Korridore des Palastes lachen hören. Kimba schickte sich an, ihnen hinterher zu trotten.
**Kimba..?**, rief Sria ihn telephatisch. Aber er reagierte nicht und schlüpfte ebenfalls durch die Tür, ihren Schwestern folgend.
Srianka war wieder alleine. Lange blickte sie die Seitentür an, wo ihre drei Kinder hinausgingen. Sie genoß die Lebendigkeit, die die Kinder ausstrahlten. Sie waren noch voller Unschuld und Vital. Schließlich gab sie sich einen Ruck und stand auf um aus dem Fenster hinauszuschauen. Telephatisch rief sie die treueste Seele dieses Palastes, Penelope, und trug ihr auf, den Kindern eine Kleinigkeit zu Essen zu machen.
Die Doppelsonnen Zhanghentja's schienen tief am horizont. Ein dunstiger Nebel hing über die Türme des Hauptstadts. In der ferne zum rechten erblickte sie hohe, schneebedeckten Berge, wo sich dahinter der Ozean erstreckte. Und dahinter... es Kalt wurde. Diese Rogrisse waren sehr kurzlebig verglichen zu Zhanghentjaner.. Sie lebten höchstens elf bis zwölf Jahre. Aber sie vermehrten sich wie ein Virus und sie konnte es nicht fassen, wie schnell diese fremde Wesen sich auf der Nördlichen Halbkugel innerhalb kürzester Zeit verbreiteten. Und obwohl sie schon fast halb Zhanghentja beanspruchten, kamen sie erneut immerwieder und beanspruchten Land. Sie waren wie eine Plage, eine Pest das nur Leid und Tod brachte.
Sria rechnete kurz im Kopf, wieviele Tage der Abgesandte benötigen wird, ihre Antwort zurückzubringen... Wahrscheinlich schneller, als ihr lieb war, seit die Rogrisse neue Technik auf ihrer Welt brachte. Sie wusste was kommen würde. Nur wie sollte sie reagieren? Evakuieren? Kämpfen? Oder aufgeben und die Herrschaft der Rogrisse anerkennen? Sie wusste es nicht.
**Mylady?**
Srianka drehte sich erschrocken um und an der Tür stand Penelope. Ihr hohes Alter von über 2800 Jahren war ihr in form von Silbernes Haar und glanz im Flaumenfell wahrzunehmen. Ihre Stahlblaue Augen blickten weise und scheinbar alleswissend. Wie immer brachte Penelope es fertig, sie zu erschrecken, indem sie scheinbar aus dem Nichts auftauchte. Obwohl die kleinen, spitzen Ohren ihrer getreuen Dienerin schon seit viele hundert jahren taub waren, konnte sie sich dennoch so leise fortbewegen wie ein bilminarischer Drachen.
**Penelope, habt ihr nach den Kindern gesehen?**, fragte Sria telephatisch.
Penelope schloss kurz ihre großen Augen und neigte den Kopf. **Ja, Mylady** Sie trat näher heran.
**Mylady... die Kinder stellen erneut Fragen...**
Sria setzte sich an ihrem Arbeitstisch und schaute in Penelope's leicht besorgt blickende Augen. **Welche Fragen?** Sie ahnte es schon.
**Wer die Rogrisse sind... warum sie uns weh tun... warum ihr Vater tot ist...**
Sria seufzte. Wieder fühlte sie sich so unendlich schwer.
**Mylady.. wenn ihr meinen Rat wünscht...?**
**Natürlich, meine treue Seele... Euer Rat war stets weise und eine Stütze für mich, Penelope. Bitte sprecht** Sria deutete auf ein freien Platz ihr gegenüber. Die silberhaarige Zhanghentjanerin folgte der Geste und setzte sich. Als eine der stärksten Telephaten dieser Region, besaß sie eine sehr starke Aura das scheinbar nur aus dem Augenwinkeln in form von innerem Leuchten wahrzunehmen war.
**Die Kinder sind noch sehr jung... aber auch sehr nachdenklich, Mylady**, begann Penelope. **Venka versteht die Dinge mehr, als sie vorgibt. Beachtlich das sie erst 35 ist..**
Sria schmunzelte **Ja, das ist sie.. Vaya war in Venka's alter längst nicht so weit vorraus...**
Penelope schloss kurz die Augen. Ein typische Zhanghentjanische Geste der Zustimmung. **Kimba verschließt sich immer mehr... Selbst ich mag nicht mehr länger zu ihm durch zu kommen. Es bereitet mir große sorgen...** Sria spürte starke Bekümmerung in Penelope's telephatischen Kontakt. **Vaya hingegen ist die große Fragenstellerin, die auch die anderen zum Nachdenken animiert. Sie wird in knapp 2 Jahren 80, es wird ihr achtes, großes Zenitfest werden. Doch sie möchte jetzt schon wissen was sie erst später wissen sollte**
Sria wartete geduldig ab, worauf ihre treue Dienerin hinaus wollte.
**Auch wenn es für Kimba und Venka zu früh erscheint - denke ich, ist es dennoch an der Zeit, ihnen die Geschichte des Tirinogh-Jahres 49 zu erzählen**
Sria blickte nachdenklich in Penelope's stahlblaue Augen. Schließlich seufzte die Königin und ihre Schultern schmerzten. Penelope hatte recht... Sie konnte ihre Kinder nicht länger vor der Wahrheit schonen.
**Morgen abend, Penelope...** nickte Sria und schloss die Augen - teils aus Zustimmung, teils aus Trauer über diese Zeitepoche.

~v~^~v~

Sria machte sich am nächsten Tag von allen Regierungsgeschäften frei und bat auch Penelope, sich für diesen Tag frei zu nehmen. Eine Geschichte erzählte man am besten nur in direkter Telephatie und gedankenübermittelte Bildern. Niemand konnte dies besser als die weise und treue Penelope. Srianka meditierte den halben Tag lang, um ihre Erinnerungen revue passieren zu lassen. Erinnerungen aus der Zeit vor der Ankunft der Rogrisse, die ersten Kontakte der fremden Wesen aus dem Himmel, und schließlich die scheusslichsten Erinnerungen, nämlich die ersten Konflikte und Ausbruch des Krieges.
Als die Sonnen im mittleren Zenit standen, begab sie sich zu den heiligen Tempeln "Dawinka ro Dawa", aus der alten Sprache das übersetzt soviel heißt wie "Quelle des Lebens". Es war ein verhältnismäßig kleiner Tempel außerhalb ihres Palastgemäuers, aber immernoch innerhalb der königlichen Gartenanlagen. Dies war der beste Ort, für eine längere, telephatische Geschichtsreise. Der Tempel war uralt - älter, als die Zhanghentjanische Geschichtsschreibung zurückging. Der Bau war treppenförmig zu einer Pyramide getürmt und endete in einer perfekt geformten Halbkuppel. Tempeldiener hegten und pflegten die Anlage und es sah aus, als wäre sie erst vor wenige Jahre erstellt worden. Die Zhanghentjaner wussten bis heute nicht, aus welchem Stein das Gebäude gestellt wurde das nie verwitterte und keine Spur von Millionen von jahren hinterließ. Im inneren des Tempels befand sich das ebenso jahrmillionen alte mysterium. Ein Wasserbrunnen ohne Quelle in einem kreisrunden Raum. Das innere wurde erhellt durch raffiniert gesetzte Öffnungen hoch oben in der Decke, wo das Sonnenlicht in feine Lichtstrahlen hineinfiel und von ausgeklügelt gesetzte Goldspiegeln reflektiert wurde. Es war angenehm warm und das goldene, einfallende Licht schaffte eine heilige Atmosphäre. Die Wände, pyramidenförmig aufsteigende Decke und Böden waren lückenlos mit jahrmillionen alte, erzählende, detzend-farbene Bildern verziert. Teils davon waren ausgebleicht und abgeblättert, teils aber so kräftig und scharf wie gerade vom künstler frisch bemalt. Ein großer kreisrunder Brunnenbecken befand sich in der mitte des Raumes, gesäumt von grünem, blühendem Moos. Das Wasser darin war so rein und Klar, das es fast unsichtbar erschien, würde es nicht mit einem inneren blauen Licht, unbekannter herkunft leuchten. Trotz relativ hohe, technische Entwicklung der Zhanghentjaner konnten sie nicht herausfinden, woher das Wasser und das Licht kam, und wiso es auch nicht entschwand. In der mitte des Beckens befand sich eine kleine Plattform von etwa 3 meter durchmesser. Oft wurden schwerkranke Zhanghentjaner zur Heilung hierhergesetzt.

Srianka lief den Hügel Hoch quer durch den blühenden Garten. Der Tempel erhob sich vor ihr in Kupfernen und Sandstein-farben und war in goldenem Sonnenlicht getaucht. Der Eingang war beeindruckend und scheinbar überdimensioniert. Mächtige Säulen trugen ein ebenso mächtiger Steinquader, worauf wiederum eine geometrisch geformte Symbolstatue stand. Sria lächelte leise als sie sich daran erinnerte, wieviele Gelehrten sich schon darüber den Kopf zerbrochen hatten, was die Statue darstellen sollte.
Sie passierte die mächtige Torbögen und nickte kurz zwei Templer in blaugrüne Gewänder zu, die daraufhin tief ihre Häupter neigten. Der Duft von Blüten stieg ihr in die Nase und sie atmete tief ein. Ganz leise holten die Templer einen kleinen Laufsteg. Sie setzten die reich verzierte, schmale Brücke zur Plattform hin und schufen einen Weg über das kristallene Wasser. Tief geneigt zogen sie sich wieder zurück und ließen die Königin alleine zurück.
Sie und einige wenige Hohepristern wie auch Penelope kamen oft hierher zum meditieren. Nur hier fand Srianka ihre innere Ruhe und Gleichgewicht. Trotzdem verloren sie nie die Ehrfurcht und Respekt vor diesem heiligen Ort.
Am Fusse der schmalen Brücke zog sie ihre seidene Schuhe aus und legte ihr Gewand ab. Sorgfältig, wie im Ritual, faltete sie ihre Kleider zu einem feinen Packet zusammen und legte sie säuberlich auf dem Boden. Nackt wie Das Licht sie schuf, trat sie auf dem schmalen Steg und lief über das heilige, leuchtende Wasser. Ein prickelndes Gefühl überkam sie, immer wenn sie sich über dem Wasser befand. Es fühlte sich an, als würde das Wasser kälte ausstrahlen. Jedoch wenn man die Hand hineinhielt, war es angenehm warm. Die Plattform war eine einzige Mandala-artiges Ornament mit mystische, in Kreis angeordnete Symbole, uralte Schriftzeichen und Bildnisse. Es waren die Symbole der Elemente, Symbole des Glaubens und Symbole des Himmels. Srianka setzte sich im Schneidersitz, schloss die Augen und entspannte sich während sie wartete.
Stille... Frieden... Wohlbehagen.
Das war es, was dieser Tempel ausstrahlte und weswegen die Königin der südlichen Hemisphäre immerwieder gerne diesen Heiligen Ort aufsuchte. Sie fühlte die kühle, energetische Ausstrahlung des Wassers um sie herum, und das goldene Licht auf ihrer nackten, mit leichtem Fellflaum bedeckte Haut. Es war ein prickelndes, belebendes Gefühl, als würde sie durch die Haut neue, geistige Energien tanken. Die Luft duftete nach getrocknete, leicht süßliche Gewürze und frische Blüten, wo die Tempeldiener an der Wand entlang goldene Schälchen voll davon aufgestellt hatten. Als wären ihre Sinne um ein vielfaches verstärkt und erweitert worden, spürte sie nun ihre Kinder und Penelope dem Tempel näher kommen. Wie ein leises Wispern vernahm sie Penelope's Gedanken, als sie den Kindern telephatisch Anweisungen gab. Bisher durften sie die Heiligen Stätte nie betreten und alle drei empfanden sowohl ehrfurcht als auch Spannung auf das, was folgte.
Penelope dirigierte die Kinder hinein. Sria hielt ihre Augen auch weiterhin geschlossen, aber als hätte sie ein drittes, übersinnliches Auge, konnte sie spüren, wo sie gerade waren und wie die Kinder mit großen, unschuldigen Augen den Raum mit offenen Münder bestaunten. Kein Laut war zu hören. Sie war so stolz auf ihre Kinder, das sie diesmal nicht unentwegt plapperten. Penelope entledigte sich im Ritual ihrer Kleider und faltete diese sorgsam zusammen. Die Kinder schauten ihr mit großen Augen zu - sie hatten die Bedienstete noch nie entblöst gesehen. Sria fühlte plötzliche Unsicherheit seitens der Kinder hochkommen. Doch als Penelope sie ermutigend anlächelte folgten sie ihr Beispiel und zogen sich aus, wobei das zusammengefaltete Resultat alles andere als Ordentlich war.
Die jüngste unter ihnen, Venka, konnte der Versuchung nicht widerstehen und streckte neugierig ihre Hände in das Wasser. Überrascht kicherte sie auf, als sie feststellte das das Wasser zwar kühle ausstrahlte, aber in wirklichkeit sehr warm war. Penelope zog Venka hoch und ermahnte sie. Schillernde Wellen zogen ihre kreisrunde ausläufer, als Venka die Hände wieder hastig rauszog. Sria seufzte innerlich auf. Vielleicht hätte sie die Kinder schon früher den zutritt zum Tempel erlauben sollen und sie fragte sich, ob sie sie womöglich nun überforderte. Geduldig wartete sie, bis eine nach der andere über den Steg hinübergetreten sind, und Penelope und ihrer Mutter gleich machend, sich in schneidersitz setzten.
Erwartungsvolle stille folgte. Die Kinder schauten sich immernoch mit staunenden Blicken um und wisperten leise telephatisch miteinander. Kimba's Interesse galt sogleich ganz dem Ornamenten auf der Plattform und fuhr mit den Fingern die einzelne Mosaiksteinchen nach. Schließlich öffnete Srianka Tirinogh die Augen und Erwartungsvolle Blicke begegneten sie, als sie sie nacheinander liebevoll anschaute.
**Möge das Licht uns erstrahlen**, grüßte Srianka telephatisch. Penelope und ihre Kinder schlossen kurz ihre großen Augen als Erwiederung.
**Ihr seit hier im Dawinka ro Dawa, eines von 4 heiligen Wassertempeln Zhanghentja's. Dies ist der letzte Tempel, der uns noch erhalten blieb...** Sie lies eine kurze Pause folgen, als sie sich ihre nächsten Worte zurechtlegte. **Die anderen drei heilige Orte befinden sich in nördlichen Hemisphäre in Händen der Rogrisse... Sie entweihten den Heiligen Boden und schöpften das Wasser aus, bis nur noch trockenheit und Fäulnis zurückblieb** Bekümmerung schwang in Sria's telephatischen Senden und traurige Gesichter der Kinder spiegelte sich ihr wieder. **Heute habe ich euch hierhergerufen, um euch zusammen mit Penelope die Geschichte des Tirinogh-Jahres 49 zu erzählen...**
**Da war ich gerade 12 Jahre!**, warf Vaya ein, stolz, so schnell schon rechnen zu können.
Sria nickte gütevoll. **Ja, mein Kind... Aber da warst du noch zu klein um zu verstehen, was zu jener Zeit geschah. Ihr sollt nun erfahren und sehen, wie unsere Welt aussah, bevor das Unheil vom Himmel kam... wie es uns veränderte, und was uns noch erwarten wird.** Sria blickte in die gespannten Gesichter der Kinder, die von ihre telephatischen Worte gefesselt waren. Schließlich blickte sie Penelope an und schloss kurz ihre großen, zhanghentjanische Augen.
Penelope atmete tief ein und hob ihre zierliche Hände. **Fasst euch an die Hände**, kam die tiefere, telephatische Anweisung der alten und weisen Dienerin. **Schließt den Kreis des Lichtes** Die Kinder und Sria kamen der Aufforderung nach und nahmen sich alle an die Hände. **Senkt eure Augenlieder und öffnet mir eure Gedanken. Horcht meiner Stimme und lasst euch von meinem Geist ins Jahr 49 führen...**

~v~^~v~

Es war das Jahr 49 unter dem Herrschaft Tirinogh's. Die lange, dreimonatige Nachtphase Zhanghentja's erreichte nach einen Monat die dunkelste Phase. Millionen von Sterne glitzerten im glasklaren Nachthimmel. Ein kobaldblauer Nebelband leuchtete am Horizont zwischen den Sternen. Es verlieh der königlichen Stadt NorValla, welches von tausenden von Kerzen und Kristall-laternen leuchtete, einen leicht blauen mystischen Glanz. Ein angenehmer, lauwarmer Wind trug Geräusche von leise singenden Nachtschlangen herbei. Ein dutzend Kilometer weiter am Fusse des Hauptstadtes glänzte das ruhige Meer.
Milwo Tirinogh, König der südlichen Halbkugel Zhanghentjas blickte mit stolzen Augen über seine Stadt, während er seine geliebte Ehefrau in den arm neben sich hielt. Das Paar stand an der großen, ausladenden Terrasse des Palastes, das um einige hundert Meter höher am Stadtrand überragte. Seine großen goldgelbe Augen blickten über die wunderschöne Landschaft und blieben schließlich im Sternenübersäeten Nachthimmel hängen.
**Worüber denkst du gerade, Milwo?** fragte Srianka, als sie seine Nachdenklichkeit spürte.
**Ich dachte gerade an die Worte unseres Himmelsgelehrten nach...** Seine telephatische Stimme klang tief und kraftvoll.
**Du glaubst doch nicht wirklich an den Unsinn, was Dalmai von sich gibt?** Skepsis schwang in Sria's Gedanken mit.
**Ich weiß nicht... Er widmete sein ganzes Leben lang den Sternenbilder und hat sehr viele Schriften niedergeschrieben, die auf ganz Zhanghentja anerkannt wurde.** sagte er bedächtig. **Warum auf einmal sollen wir anfangen zu zweifeln was er entdeckte?**
Sria lachte leise. **Ach Milwo... Wie hört sich das denn an "Ein Stern ist über Zhanghentja geboren worden und wird Unheil und Veränderungen bringen"... Ich bitte Dich** Mit diesen Worten schaute sie hinauf und fand diesen nicht zu übersehenden besagten, neuen Stern. Seit anbruch der dreimonatigen Nachtphase wurde der neue Stern am Himmel entdeckt. Unübersehbar leuchtete es so hell wie sonst kein anderer Stern. Die Bewohner Zhanghentjas empfanden sowohl Beunruhigung als auch Faszination über das ungewohnt, veränderte Sternenhimmel. Gelehrte und Propheten stritten sich, was das auftauchen eines neuen, grellhellen Sternes bedeuten mochte. Nur Yin Dalmai, ein sehr alter und weiser Himmelsgelehrter aus der nördlichen Hemmisphäre sagte, das dies kein natürlicher Stern sei und vielleicht noch Veränderungen bringen würde.
**Manche behaupen, mit seinem Erscheinen würden viel mehr Sternenschweife fallen als sonst. Die letzten beiden Nachrichtenboten aus dem Norden besagten, das die Schweife bis zur Erde auf einen Punkt im Meer reichten.** fuhr Milwo fort.
**Hattest du noch keine Antwort erhalten, ob Abram die Schweife schon verfolgen lassen konnte?** Abram Goth war der Herrscher der nördlichen Halbkugel Zhanghentjas. Ein sehr volksnaher König, und Milwo und Sria überaus symphatisch. Sria erinnerte sich an Geschichten vor ihrer Zeit, als es noch Kriege zwischen den Kontinenten gab. Sie war froh, Kriege nicht mehr zu erleben, und das zwischen den beiden Reiche solche Harmonie bestand. Nichts könnte den Frieden zwischen den Kontinenten zerrüttern, das nun schon seit tausenden von Jahren herrschte.
**Nein. Der letzte Bote kam vor zwölf Nächte.. ich beginne, mir sorgen zu machen. Das Nördliche Reich verhält sich so ruhig - das ist ungewöhnlich für so Mitteilungsfreudige Nördler..** Milwo drückte Sria fester an sich. Sie spürte seine Wärme und die liebevolle Ausstrahlung die von ihm ausging.
**Dann entsenden wir ein paar Boten hinaus um zu sehen, ob im Norden alles in Ordnung ist.. Ich spüre ebenfalls ein Besorgnis, als würde irgendetwas sein, das sich nicht in worten fassen lässt.**
Wie als würde der fremde Stern Srianka's Worte unterstreichen wollen, fielen erneut drei bis vier leuchtende Streifen wie Sternschnuppen, die aber nicht erlischen wollten. Sie alle spitzten sich am Meereshorizont im Norden zu, als wäre dort ein Magnet, der sie alle anzog.
"Mylord... Mylady", erklang Penelope's fast zitternde Stimme hinter ihnen. Penelope neigte tief ihren Kopf und schloss kurz ihre großen Augen als sich die angesprochenen zu ihr umdrehten. Ihr goldgelbes Haar, durchzogen von weiß ansetzende Strähnen des alters vielen ihr über ihr langes Gesicht. "Ein Schiff ist soeben in den Hafen eingelaufen, Mylord. Es ist ein Handelsschiff aus dem Norden... Die Seefahrer geben... verwirrende Dinge von sich und verbreiten Beunruhigung und Angst unter der Bevölkerung..."
Milwo straffte seine für Zhanghentjaner ungewöhnlich kräftige Gestalt, und zog sein blauweiser Gewand zusammen.
"Bringt die Seefahrer zu mir." sagte er.
"Aye Mylord" Penelope eilte davon.
Eine halbe Stunde später wurden fünf Seefahrer in den Palast geführt. Milwo nahm im Empfangsaum würdevoll seinen Platz hinter den prunkvollen Mahagonieschreibtisch ein, Sria an seiner Seite und warteten auf ihre Ankunft. Penelope führte die fünf hinein und zog sich in den Hintergrund zurück.
"Möge das Licht uns erstrahlen, ehrwürdiger Milwo Tirinogh, Herrscher der südlichen Hemisphäre!", grüßte der älteste von den in grün gekleidete Seefahrer. Sie neigten respekterweisend tief ihre Köpfe und verharrten ein paar Sekunden.
Der König schloss kurz seine großen zhanghentjanische Augen.
"Ich bin Odest Nor, wir sind Überseehändler und bereisen das ganze Meer!" stellte sich der ältere vor. Furcht schwang in Odest' Stimme mit, und seine Worte sprudelten plötzlich nur so aus ihm heraus. "Etwas furchtbares muss auf Kiangra geschehen sein! Der ganze Himmel steht in flammenden feuerlicht, und eine unsichtbare höhere Kraft hält alle Schiffe und Seefahrer davon ab, die Hauptstadtinsel zu erreichen! Viele Seefahrer bezahlten mit ihrem Leben bei dem Versuch die Insel anzufahren und das Meer ist übersäet mit tote Meerestiere die in ihrem eigenen Blut schwimmen!! Es war ein furchtbares Bild, das uns an den äußeren Küstenlinien Kiangra's darboten..."
Sria sog erschrocken die Luft ein über das Gehörte. Besorgnis spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder. Sie bewunderte Milwo, der immernoch souverän und ruhig blieb und den Seefahrer mit ernster Mine zuhörte.
"Ehrwürdiger König Milwo Tirinogh, wir machen uns große Sorgen um unsere Familien und um unseren König Sagh NorValla die auf Kinagra sind! Bitte helft uns" Mit diesen Worten schloss er die großen Augen und neigte wieder den Kopf tief hinunter.
Hinter Milwo's Stirn arbeitete es, aber äußerlich strahlte er immernoch Ruhe aus. Er spürte die Aufrichtigkeit des Seefahrers und hegte keine Zweifel an seinen Worten. Schließlich atmete er tief durch und hob den Kopf richtung Penelope, die sich sofort aufrichtete. "Rufe den Rat zusammen", befahl er. "Ich will sie alle in einer Stunde im Saal sehen".
"Aye Mylord!" Penelope eilte hinaus und führte seinen Befehl aus.

~v~^~v~


Venka - die jüngste der Kinder - unterbrach den Kreis und zog die Hände zurück. Sie rutschte unruhig hin- und her und ihre großen, zhanghentjanische Augen blinzelten trübe. Penelope blickte überrascht über die geistige Unterbrechung auf, und musste sich kurz neu orientieren.
Sria schaute ebenfalls hoch, verwirrt über die Unterbrechung. **Venka, was hast du?** Sie blickte besorgt auf ihr jüngstes. War es vielleicht doch zuviel des Guten, fragte sie sich mit einem leisen Vorwurf an sich selbst. Eine längere Telephatische Reise war schon anstrengend für sie als ausgewachsene Zhanghentjanerin. Wie anstrengend mochte es dann für die Kinder sein? Ihre Geistiges Potenzial ist längst nicht ausgereift.
Venka windete sich und es schien ihr peinlich zu sein. Ihr Gesicht errötete **...ich muss mal...**, kam die leise, schüchterne Antwort. Die älteste Schwester Vaya brach in grunzendes kichern aus, dem sogar der sonst sehr ernste und stille Kimba mit einem lächeln begleitete. Venka warf einen bösen blick zu ihrer Schwester und petzte sie strafend in den Arm, woraufhin sie empört "Ey!" rief.
Sria seufzte erleicht das nichts ernstes war, rollte mit den Augen und lächelte.
Ohne eines Wortes der Aufforderung stand Penelope auf und nahm Venka an die Hand. **Nun denn, kleine Dame, dann müssen wir eine kleine, königliche Pflicht erfüllen**, sendete Penelope mit scherzenden, gütigen Gedanke. Sie zogen sich an und gingen hinaus. Die Mutter blickte der beiden nach und war - wie jeden tag - unendlich dankbar über diese so wertvolle Perle wie Penelope.
Srianka Tirinogh kam dieser Unterbrechung recht.. Sie kämpfte gegen den wieder hochkommenden schmerz des Verlustes an, das ihr Herz zu zuschnüren drohte. Es war, als spürte sie immernoch Milwo's zärtliche Umarmung... als roch sie immernoch die würzige Nachtluft, als sie am Balkon standen und über die friedliche Stadt blickten. Obwohl es schon 25 Jahre her war, wo ihr Ehegatte starb, war es ihr, als wäre es noch gestern gewesen. Noch heute wachte sie morgens auf und blickte suchend neben sich, oder hatte das Gefühl, Milwo würde in jeden Augenblick durch die Türe hereinkommen und sie in die Arme schließen. Sie schloss die Augen und spürte Tränen aufsteigen. Oh Milwo... warum... warum nur hast du mich verlassen, dachte sie traurig und ihr fröstelte.
Eine schüchterne Gedanke Vaya's erreichte sie, gefüllt mit Sorge und auch angst: **Mama..?**
Sria öffnete wieder die Augen und blickte in zwei paar unschuldige Kinderaugen Kimba's und Vaya's. Werden sie eine Zukunft haben? fragte sich Sria unwillkürlich mit einem zerreissenden Zweifel und hob die Hände um ihre Kinder beruhigend an die langgezogenen Kiefer zu streicheln.
**Habt keine Angst.. es ist alles in Ordnung** Zum ersten mal erkannte Sria an den Blicken der Kinder, das sie ihr dies nicht glaubten. Die Königin fühlte sich von ihren eigenen Kindern durchschaut. Sie wussten, das keinesfalls "alles in Ordnung" war aber sie blickten sie nur schweigend an. Srianka schluckte und empfand plötzlich Scham für ihre furcht, die Furcht zu zeigen. Dabei wollte sie ihre Kinder doch nur schützen...
Kurze zeit später kehrten Penelope mit einer erleichterten Venka zurück und sie setzten ihre Telephatische Erzählung fort.

~v~^~v~

Die Hauptstadtinsel der nördlichen Hemisphäre stand in flammen, wie es die Zhanghentjaner noch nie in ihren langen Leben gesehen hatten. Obwohl die Insel hunderte von Kilometer vom Festland entfernt lag, konnten die Zhanghentjaner von dort aus selbst am helligsten Tage die Insel in form von einem blutroten Schein am Horizont wahrnehmen. Sie waren fast froh um den Umstand, das sie derzeit mitten im dreimonatigen Tagesphase befanden, denn Nachts musste es noch furchtbarer aussehen. Angst und Schrecken durchfuhr das ganze Land im Norden wie ein Lauffeuer und erreichte schließlich auch die Nachtseite Zhanghentja's. Gerüchte gingen umher, das jedes Schiff, das zur Insel aufbrach, nie mehr zurückkehrten. Von den Inselbewohner und vom dort lebenden König selbst kamen keinerlei Nachrichten mehr oder überhaupt irgendein Lebenszeichen. Religiöse Fanatiker sahen darin ein böses Omen und prophezeiten eine Apokalypse vorraus. Dies trug natürlich bei, das die Bevölkerungen in beiden Hemisphären noch mehr in Panik gerieten. Andere Zhanghentjaner wiederum versuchten, es naturwissenschaftlich zu erklären. Eine Mutmaßung nach der anderen durchflutete das ganze Land - vom aufgestiegenen Meeresteufel, herabgefallener Gott des Lichts bis hin zur Untergang der Insel Kiangra's durch Feuer, Kometen, Vulkanausbrüche oder durch Zauberei. Doch letztenends konnte niemand eine plausible Erklärung finden.
Die Häfen waren wie leergefegt, da kein Schiff, das zur Insel aufbrach, je wieder zurückkam. Die wenige noch verbliebene Fischer ließen ihre Schildkrötenboote aus dem Wasser, da sie befürchteten, es könnte ebenso nie mehr zurückkehren. Abgesehen davon, waren die Küsten vom Festland überschwemmt mit millionen von tote Meerestiere. Der Geruch von Tod, Fäulnis, und noch etwas fremdes beherrschte die Küsten. Immerhin waren die Festlandbewohner klug genug, um vorbeugend die Küsten soweit zu säubern und alles, was tot ans Land geschwemmt wurde, in mehrere, riesige Feuergruben zu verbrennen, doch es war eine sehr mühseelige Arbeit und der Himmel ist geschwängert von dunklem Rauch, Asche und Schwefel.
Unzählige von Hilferufe trafen täglich ein mit hilfe abgerichtete Nachrichtendelphine, die an alle Küstenbereiche Tirinogh's am anderen ende der Welt eintrafen. Die ungewöhnlich hohe Anzahl der Meeresboten verbreiteten mit ihren beigehängten Schriften schließlich auch im süden Furcht unter der Bevölkerung. König Milwo und seine Gefolgsleute setzten alles dran, um eine ausbreitende Panik zu vermeiden.
Mit hilfe eigene, abgerichtete Nachrichtendelphine ließ König Milwo Tirinogh eine Flotte von Segelschiffe aus dem ganzen südlichen Spähre zusammenrufen. Erst am achten Tage konnte das südliche Reich die zusammengerufene Flotte, bestehend aus 12 der größten Segelschiffen nach Norden entsenden, um der Bevölkerung zu helfen, wie auch immer die Hilfe aussehen mag. Mutige Beobachter und Schreiber wurden auserwählt mit der Aufgabe, alles niederzuschreiben was sie sahen, hörten und erlebten, um die schriftstücke organisiert im ständigen Kontakt durch die Galb-Delphine zum König Milwo Tirinogh zurück zu schicken.
Es war, als habe sich die halbe Stadt versammelt. Hunderte von Zhanghentjaner standen an den Hafenmauern und Stege und winkten den mutigen Seefahrern zu, als die 12 prächtige Segelschiffe eine nach dem anderen aus dem Hafen ausliefen. Unzählige Fackellichter und grüne Leuchtmooslaternen erhellten den ganzen Hafen fast taghell und verlieh das ganze eine besondere Atmosphäre. Wobei die Atmosphäre schwankte zwischen Trauer, Furcht und Wehmut. Das Ereignis im Hafenstadt Sagh NorValla stand selten so sehr im Mittelpunkt der Gespräche im ganzen Land, wie sonst nie. Und ein großteil der Zhanghentjaner sahen so viele Kriegsschiffe auf einmal. Die Segelschiffe nahmen fahrt auf. Große schneeweiße Segeln mit blau und silber bestickte Wappenzeichen vom Königshause Tirinogh's wurden hochgezogen. Der Wind stand günstig und die Segel blähten sich mayestätisch auf. Die auslaufenden Flotte war ein mayestätischer, ehrfurchtgebietender Anblick - und hatten etwas entgültiges an sich.
Die Nacht war warm, und es herrschte ein Sternenklarer Himmel. Vertraut rote Nebelbänke leuchteten zwischen den Sternen - eine Quelle vieler Philosophen und Sternkundiger die davon träumten, eines Tages in den Himmel und in diesen wunderschönen Nebeln zu fliegen. Am hellsten leuchtete aber jedoch nicht mehr das Sternenviereck "Sambasi" - wonach die Seefahrer sich immer gerne orientierten, sondern der neue Stern, das scheinbar tief im Horizont hing und sowohl Faszination als auch unheilvoller Furcht ausübte. Die Segelschiffe verließen sich nicht nur auf den Wind, sondern auch an die Kraft der acht meter lange Galb-Delphinen, die sie zu dutzende abgerichtet hatten. Bei jedem Schiff befanden sich seitlich angebrachte, kurzen Stummelflügeln, woran sich die Delphinen formierten und sich scheinbar in chaos daran angliederten. Sogenannte Delphinenflüsterer an Bord befehligte telephatisch die hochintelligente Tiere. Sie trieben die Segelschiffe noch schneller mit ihrer Kraft vorran als der Wind allein es selten vermochte.
Sria hielt ihr Baby Vaya in den Armen während sie und Milwo ebenfalls am Hafenmauer auf einer Empore standen und den Seefahrern mit ihrer Anwesenheit und Grüße ehrten. Diese mutige Zhanghentjaner werden womöglich nie mehr heimkehren. Die Bevölkerung und die Königsfamilie blieben sehr lange, bis die Schiffe in der Dunkelheit des Nachts nicht mehr zu sehen waren. Und selbst dann winkten sie ihnen noch immer zu und ehrten sie sie mit zhanghentjanischem Gesang und zurufe. Sie wussten, das die Seefahrer noch immer die in goldgelben Fackelschein getauchte Hafenstadt sehen und hören konnten. Es war eine der ergreifendsten Momente in Srianka's Leben. Sria fühlte mit ihre emphatischen Sinne die Furcht der Bevölkerung unter sich, die Anspannung und auch Hoffnung, das alles wieder gut werden würde. Man konnte es ihnen nicht verübeln. Die Zhanghentjaner sind sehr friedvoll und harmoniesüchtig, aber auch anfällig für jede kleine Störung geworden.
Vaya begann in ihre Arme zu weinen. Sie spürte die aufgewühlte Menge um sich herum und es bereitete ihr Angst. Sria erweiterte ihre telephatische Kräfte, um das Baby vor den sehr emotionalen Emphatische Wellen der Zhanghentjaner zu schützen. Noch ist Vaya nicht alt genug, um sich selbst abzuschirmen.
Milwo legte einen Arm um sie beide. "Jetzt heißt es abwarten", sagte er mit einem tiefen seufzen.
"Wie lange werden sie brauchen bis sie Kiangra erreichen?", fragte sie. Kiangra war das Ziel der Flotte - die Hauptstadtinsel der nördlichen Hemisphäre welches von unzähligen Boten berichtet wurde.
"Wenn der Wind es gut mit ihnen meint, werden sie in vier bis fünf Tagen dort sein. Sie fahren gegen den Meeresstrom, darum benötigen sie viel länger als die Händlerschiffe die zu uns kamen."
Zwanzig lange Tage später erreichte der erste Nachrichtendelphin die Hafenstadt Sagh NorValla. Abgesandt, von einer der Beobachter auf den Segelkriegsschiffen. Inzwischen begann die dreimonatige Tagphase Zhanghentjas und grünliches Dämmerlicht herrschte für mehrere Tage über diese Region. Die versiegelte Schriftrolle, nur für den König bestimmt, wurde umgehendst zum Pallast gebracht und von Penelope an Milwo Tirinogh weitergereicht. Er saß in seinem Arbeitszimmer hinter seinem wuchtigen Mahagonieschreibtisch und hielt das um mehrere Seiten umfassendes Schriftstück in seinen Händen und las. Srianka betrat den Raum von der Seitentür und spürte sofort die Anspannung ihres Ehegattens, als wäre es in der Luft greifbar.
"Was ist passiert?", fragte sie sogleich alarmiert und näherte sich ihm. Sie sah sofort das Schriftstück vom Beobachter. "Was steht darin? Was wird berichtet?" Noch nie sah sie diesen Gesichtsausdruck im Gesicht des Königs und ihre Sorge wuchs noch mehr. "Milwo..?"
Er blickte auf und seine dunkle, purpurne Augen blickten unendlich traurig. Sria legte den Kopf leicht schräg, bis er schließlich nach endlosen Sekunden leise antwortete: "Dunkle Zeiten werden über uns einbrechen... Wenn das wahr ist, was der Beobachter hier niedergeschrieben hat, so befinden wir von dem Tage an, als der neue Stern geboren wurde, im Krieg..."
Sria sog überrascht die Luft ein. "Krieg?... aber.. ich verstehe nicht.. Abram Goth ist unser Freund-"
"Abram ist tot..."
Sria schluckte hörbar und musste sich aufgrund überkommende schwäche sich setzen. "Bei den Göttern..." Sie war sprachlos. Erinnerungen vom Abram Goth, Herrscher der nördlichen Hemisphäre, jagten ihr durch den Kopf. Viele gute Erinnerungen. Jetzt soll er tot sein? Er war doch erst knapp 500 Jahre.. ein mittleres, junges Alter für Zhanghentjaner.
Milwo atmete tief ein und schloss kurz die Augen während er das Schriftstück aus den Händen legte. Als er wieder aufschaute, berichtete er weiter, was er gelesen hatte:
"Unsere Flotte gelang es, die Insel zu erreichen.. Die Unsichtbare Kraft - was auch immer es war - bestand nicht mehr. Die ganze Insel war tot... Der Beobachter schrieb, das sie überall Leichen sahen.. junge.. alte.. kinder.. selbst Tiere... sie alle sahen aus, als wäre eine Seuche über sie hinweggefegt und hat sie im Tode entstellt... Viele Teile der Insel wurde verbrannt... Als wäre ein Fegefeuer über die Stadt hinweggetobt. Und das was übrigblieb... wurde ersetzt durch etwas neuem..."
Sria hörte mit klopfenden Herzen zu und die Vorstellung über das Gesagte bereitete ihr Übelkeit und Entsetzen. "Etwas neuem? Was?"
"Dort, wo einst auf einer Anhöhung der Pallast von Abram Goth stand, steht ein riesiges, metallischglänzendes Gebilde.. Es stammt nicht von dieser Welt, Srianka... Sie trafen auf fremde Wesen - sie überragten uns über das doppelte der unsrigen und sahen.. erschreckend anders und doch uns ähnlich aus.. Die Flotte beobachteten, wie diese Fremden die Leichen der Inselbewohner einsammelten, in einer Grube warfen und in blaues Feuer verbrannten. Diese... diese Ungeheuer!..." Tief erschüttert schüttelte er den Kopf und vergrub sein Gesicht in seine Hände bei dieser grauenvolle Vorstellung. Sria's Augen füllten sich mit Tränen.. Auf der Insel lebten etwa zweitausend Zhanghentjaner... es war eine der größten Städte vom ganz Zhanghentja. Selbst Sagh NorValla hatte nur knapp 900 Bewohner. Die Zhanghentjanische Lebensart, mehr in Clans und Gemeinden zu leben, machte eine größere Ansammlung in einem Ort unpraktisch. Es gab Millionen von Dorfgebilden und Gemeinden, Clanländer und Sippen... aber Städte gab es nur wenige.. Städte wie die Insel Kiangra und Sagh NorValla bildeten sich hauptsächlich aus pure notwendigkeiten wie z.B. an Ressourcenquellen und Handelskontenpunkte.
Soviele Tote.. dachte Sria erschüttert. Das war in der ganzen Zhanghentjanische Geschichte noch nie in dieser Größenordnung vorgekommen.. Selbst die kapari-Seuche hatte längst nicht soviele Opfer gefordert. Sria stand auf und nahm Milwo in die Arme um trost zu spenden. Er setzte an weiter zu erzählen, doch seine Stimme versagte und benutzte schließlich Telephatie.
**Sie versuchten, die Fremden davon abzuhalten die Zhanghentjaner zu verbrennen, aber ihr Angriff auf sie war vergebens. Sie 'beherrschen das Licht', schrieb der Beobachter. Gleissend helles Licht, wie ein geworfener Sternenschnuppe, warfen sie ihnen entgegen, woraufhin die getroffenen Zhanghentjaner sofort zu tode erstarrt umfielen. Er vermochte es nicht zu sagen ob sie noch lebten oder die Lichtstrahlen ihnen das Leben entzogen. Ein Teil flohen zurück zu den Schiffen und ein Teil und der Beobachter in die Inselplantagen. Sie mussten mit ansehen wie die Schiffe eine nach dem anderen von unsichtbare Kräfte versenkt wurden und der Beobachter fing an zu schreiben. Noch im laufe der nächsten Stunden begannen die restlichen Zhanghentjaner, die sich im Wald versteckt hielten, krank zu werden. Auch der Beobachter wurde Krank.** Milwo zeigte Sria die letzten paar Seiten vom Beobachter und deutlich sah sie, wie die Handschrift immer zittriger undeutlicher wurde. **Er schrieb ein paar letzten Worte an seiner Familie und verbrauchte seine letzten, schnell entschwindende Kräfte damit, zurück ans Ufer zu gelangen um das Schrifstück einem Galb-Delphin zu übergeben.**
"Oh Milwo... Was bedeutet das alles", fragte Srianka ehrfürchtig. "Sind die Götter vom Himmel herabgestiegen und haben uns den Tod mitgebracht? Warum nur?!" Milwo schloss nur seine Augen.
"Wenn es wirklich die Götter sind...", raunte er leise "was beim Kelch hat König Abram Goth nur getan, das sie so erzürnt über seine Hauptstadt erschienen sind.. was hat er nur getan, das diese Morde an unzählige Leben auf der gesamte Insel rechtfertigte..."
Diese Frage blieb für alle Zeiten unbeantwortet. König Milwo Tirinogh verhängte eine totale Blockade über die Insel. Er lies ganz Zhanghentja wissen was auf der Insel geschehen war und das es niemanden mehr erlaubt war, Kiangra aufzusuchen. Hunderte von Nachrichtendelphinen durchschwammen den ganzen Ozean, das die Süd- und Nordkontinente voneinander trennten. Er wusste, wenn er das Schriftstück wie er es vom Beobachter erhielt in Wortgetreue Fassung abschreiben und über das ganze Land weiterreichen lies, brauchte er keine Drohung mehr anzuhängen wie verboten es war, auf der Insel auch nur einen Fuss zu setzen. Sie alle waren mittlerweile überzeugt, das es erzürnte Götter waren, die nun zu besänftigen galt. Milwo lies hunderte von Kundschafter durch den ganzen Norden entsenden, um herauszufinden, was Abram Goth getan hatte, das soetwas passieren konnte. Das aufgeschreckte und völlig Führungslose Land anerkennte ohne den geringsten wiederstand die neue Herrschaft Milwo Tirinogh's. Er war nicht sonderlich stolz darauf, nun über ganz Zhanghentja zu herrschen, aber er hatte keine Wahl. Er konnte nicht die nördliche Hemisphäre sich selbst überlassen, das Volk brauchte einen König. Die gesamte Königsfamilie und die Regierung hatten ihren Hauptsitz auf dieser Insel, was sich im nachhinein als fataler Nachteil erwies, denn sie waren somit über Nacht Führungs- und Regierungslos geworden, als die Götter und das tödliche Fegefeuer über die Insel kam.
Milwo trauerte sehr um Abram Goth und seiner Familie. Sie waren seine und Sria's Freunde.. Das Jahr 49 wurde zum dunkelsten Jahr in der Zhanghentjanischen Geschichte eingetragen. Das Jahr, als die Götter zur Erde kamen und über das Volk richteten. Im laufe der Zeit entwickelte sich unter der Bevölkerungen einen Namen für die Götter. Es ist der Name eines kleinen Erdtieres, das die eigenschaften eines gemeinen Fieslings hatte. Ein Nesträuber, für zhanghentjanischen Maßstäben das boshafteste in ihrer Tierwelt, das sich wie ein Schmarotzer von andere Tieren am leben hält - ein Rogria. So hießen die Inselbelagerer für ganz Zhanghentja Rogrisse. Sie besaßen die Macht über das Licht und über das Leben, sie erstörten die Seelen der Zhanghentjaner zusätzlich, indem sie sie ins blaue Feuer warfen und somit die Zhanghentjanische Seelen für immer auslöschten. Nach Zhanghentjanischen Glauben her konnte eine Seele nur dann wiedergeboren werden, wenn der verstorbene Körper zurück zum Ursprung des Lebens gebracht wurde - zurück in den Ozean. Das Feuer bedeutet jedoch die totale Vernichtung... Die Gelehrten prophezeiten durch die Verbrennung der zweitausend Kiangra-Bewohner, das die Geburtenrate der Bevölkerung in entsprechender Menge im Norden zurückgehen würde. Und tatsächlich - Die darauffolgende Jahre wurden unzählige Totgeburte ausgetragen. Entsetzen und Furcht herrschte im ganzen Norden, deren Auswirkungen im Süden deutlich spürbar und sichtbar wurde. König Milwo Tirinogh hatte alle Hände voll zu tun, um zu verhindern, das der Flüchtlingsstrom in form von dutzende von Schiffe nach Süden in unkontrollierten maße ausbrachen. Viele Clans und Familien wollten so weit wie möglich von dieser Insel davonfliehen, auf das sie wieder Kinder bekamen und nicht noch weitere Todgeburte. Es war im Laufe der Jahre in der Tat zu beobachten, das ein beträchtlicher Radius um diese Insel, was ein teil vom Festland einschloss, in den letzten zehn jahre keine weitere Generationen lebend geboren wurden. Dieser Raum am Rande des Festlandes zum Insel hin, wurde immer mehr und mehr von jeglichem Zivilisation leergefegt. Ganze Dörfer und Landbesitze wurden aufgegeben, wo die Zhanghentjaner ins Landesinnere zogen. Sie alle berichteten fast einstimmig, das sie sich nicht mehr wohl fühlten, viele wurden krank, und das, was lebend geboren wurde, waren zum Teil furchtbar entstellt und nicht lange lebensfähig. Selbst die Tierwelt war davon betroffen, denn es wurden immer weniger und noch weniger bis kein Vogel mehr sang, kein Graskatze mehr rief, und keine Herde Baumhamster mehr grasten.
Irgendwann forderte das Nordvolk die Isolierung dieses Bereiches, dem König Milwo natürlich sofort nachkommen ließ. Sie bauten die womöglich größte und längste Mauer in ihrer Geschichte. Mehrere tausend Kilometer länge und drei mal vier meter groß wurden über den verlassenen Bereich des Kontinents abgesteckt. Viele Jahre lang arbeiteten sie daran und schotteten dieses verfluchte Land für immer ab, auf das auch kein Tier mehr hinein oder hinaus kam.
Erst 30 Jahre später wurden die ersten, gesunden Generationen wieder im Norden geboren. Die Nachricht von erste, gesunde Nachkommen lies ganz Zhanghentja erleichtert aufatmen, denn sie befürchteten schon ein Aussterben ihres Volkes.
Noch während der Bau des großen Walls gab es immerwieder berichte von wagemutigen Seefahrern, die die Insel dennoch aufsuchten um zu sehen, was dort geschehen mag. Meißt waren es verzweifelte Familienmitglieder die um jeden Preis versuchten, vielleicht doch Überlebende auf der Insel zu finden oder ganze Gruppen von unzufriedene Zhanghentjaner, die den Glauben an den alten König noch nicht verloren hatten. Vom See aus, fuhren stets vom Milwo beauftragte Wächter und Beobachter mit Teleskope um die Insel herum und schrieben nieder, was sie aus der Ferne sahen. Es wurden Bilder gezeichnet über die Rogrisse, die sich dort wie Beerameisen verhielten. Die Zhanghentjaner empfanden die Rogrisse als sehr hässlich. Ihre Gesichter waren fast Eben, hatten winzige Punkte als Augen, und waren für ihre doppelte Größe wie die eines Zhanghentjaners sehr unesthätisch stämmig und fleischig gebaut. Sie alle sahen sich sehr gleich aus, und die Beobachter waren sich nicht sicher, ob es bei den Göttern Geschlechter gab. Wie ein schnellwachsendes Geschwür verbreiteten sie sich aus, errichteten eigene Gebäude und schlugen zhanghentjanische Bauten ab, wenn sie es nicht selbst bewohnten. Fremdartige Tiere tauchten auf der Insel auf, die in enge Zäune gepfercht wurden, und schließlich verwandelte sich die Insel nach und nach zu etwas, was die Zhanghentjanische Beobachter einfach nicht verstanden dies in Worte zu fassen.
Als von den Wächterschiffen Berichte eintrafen, das auf der Insel auch erste Zhanghentjaner unter ihnen gesichtet wurden, begann das Volk laut zu werden. Ein Aufschrei durchfuhr das ganze Land, wie immer mehr Beobachter niederschrieben, das die Rogrisse Zhanghentjaner gefangen hielten und diese schwer arbeiten ließen. Aber jegliche Versuche, Schiffe dorthin zu entsenden endete kläglich mit neue Gefangenschaften. König Milwo Tirinogh sah ein, das sie mit direkte Konfrontationen und mit Gewalt nichts ausrichten konnten, und schlug in eine ganz neue Richtung ein - entgegen der Mehrheiten, die die Rogrisse eher tod sehen wollten. Er versuchte herauszufinden, wie man mit ihnen vielleicht reden konnte. Als bekannt wurde, das hinter der errichteten Mauer am Festland sich die Rogrisse ebenfalls rasend schnell zu vermehren begannen, Städte bauten und vor sich hinqualmende Gebäuden aufstellten, versuchte er, offizielle Boten dorthin zu entsenden mit Nachrichtenschriftrolle mit der Bitte um Friedensgespräche. Was König Milwo jedoch nicht wusste - hinter seinem Rücken entstand eine Fraktion von erboste, unzufriedene Zhanghentjaner, die mit rabiaderen mitteln die Rogrisse bekämpfen wollten, auf fast rogrianische Weise - nämlich mit Gemeinheit und List. Dutzende von Alchimisten versammelten sich mehrere male mit dieser Fraktion heimlich und entwickelten einen Gift nach den anderen, um den Rogrisse das Wasser zu vergiften. Sie entwickelten mit Versuchstiere Krankheiten, die sie dort aussetzten und hofften, die Fremden würden daran ebenfalls verenden. Nachdem keines dieser Vergiftungsmethoden erfolg hatte, entwickelten sie für Zhanghentjaner völlig neue Taten und Verhaltensweise: Attentate, Untergrundkämpfe, Spionage, Terroranschläge, Morde. Mit allen Einfallsreichtümer und anwachsender Brutalität und Skrupelosigkeit gingen sie gegen die Rogrisse auf dem zu Insel angrenzenden Festland vor. Sie entwickelten immer hinterlistigere Vorgehensweisen, klauten alles, was ihnen unter die Finger kam um dieses evtl. gegen sie zu verwenden und bekamen durch Erfolgserlebnisse immer mehr Anhänger dieser Gewalttätigen Fraktion.
König Milwo Tirinogh's Versuche, mit den Rogrissen zu reden scheiterte wiederum in Form von Rogrissianische Vergeltungsmaßnahmen für die Terroranschläge der zhanghentjanische Fraktion. Dies alles spielte sich innerhalb kürzester Zeit statt - innerhalb eines zhanghentjanischen Jahres.
Eine offene, Drei-Fronten-Krieg ....

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Penelope unterbrach sanft den telephatische Kontakt. Die Kinder blinzelten übermüdet auf. Sria war ebenfalls erschöpft und fragte sich, wieviel Zeit wohl vergangen mag. Das einsetzende Hungergefühl beantwortete ihre Frage und sie nickte Penelope zu.
**Für heute habt ihr genug erfahren**, sagte Penelope telephatisch. **Wir werden die Erzählung in vier Tagen fortsetzen, wenn ihr euch erholt habt**
Mit müden Bewegungen zogen sich die drei kleiner ohne ein Wort des wiederstands an und Penelope führte die Kinder hinaus um sie zu versorgen. Sria blieb noch sitzen und genoß erstmal die telephatische und akustische stille. Eine längere telephatische Reise war für sie genauso anstrengend, wie auch für die Kinder. Penelope dagegen war sehr stark im Psi, und es bereitete ihr keinerlei mühe. Sria streckte die Hand neben sich aus, und tauchte ihre Hand in das heilige Lichtwasser. Obwohl es über die Wasseroberfläche kühle ausstrahlte, war es angenehm warm. Immer, wenn sie sich unbeobachtet fühlte und keine der Templer hier aufhielten, tat sie das verbotene. Sie schöpfte Kraft vom prickelnden Wasser. Sie fühlte, wie die Energie von ihrer eingetauchten Hand mit einem angenehmen, heißen prickeln an ihrem Arm hochwanderte. Sie schloss die Augen, und fragte sich, welche Visionen diesmal kamen. Das heilige Wasser erweiterte all ihre Sinne, und öffnete ihren Geist. Die Energie erfüllte ihren ganzen Körper, und sie wusste, würde jemand sie sehen, würde sie wie das Wasser in einem leichten glanz wie das Wasser leuchten. Das Prickeln erreichte ihren Kopf - und sofort wurde Srianka von einer Flut von Bildern überschwemmt. Sie schnappte nach luft - aber sie war vorbereitet. Eine Frage formte sich in ihrem Geiste, und sofort hielten der Bilderflut inne und verharrten zu einer Szene als antwort. Hat Zhanghentja eine chance auf Frieden?, lautete ihre Frage. Sie "sah" vor ihrem inneren Auge das nördliche Kontinent, von einem Blickwinkel eines Adlers aus. 40% des Festlandes waren mittlerweile unter Rogrissianischen Herrschaft. Sie hatten riesige Städte gebaut und lebten zu tausenden an einem Fleck. Es war erstaunlich, wie sie nur so schnell so viele werden konnten. Heute wussten sie mehr über diese Fremden, als vor 66 Jahren. Sie waren keinesfalls vom Himmel gefallene und erzürnte Götter. Im laufe der vielen Jahre, und lange Arbeiten an der Kommunikation zwischen ihnen erfuhren sie, das sie ebenfalls art "Seefahrer" waren, nur das sie nicht mit Wind und Segel auf dem Meer fuhren, sondern mit Feuerkraft und Metall im Himmel zwischen den Sternen. Die Sria verstand diese Erklärung immernoch nicht, aber sie fand sich damit ab, das diese Wesen über ein unermessliches Maß an Wissen und "Technik" verfügten, worüber die Zhanghentjaner nicht mal ansatzweise verstanden und großteil der Bevölkerung es als böse Magie betrachteten.
Plötzlich wechselte die Vision vor ihrem Auge um und sie sah sich selbst, so alt wie Penelope. Sie sah ihre älteste Tochter Vaya als erwachsene inmitten der hässlichen, doppelt so großen Rogrisse stehen, alleine, verloren, mit Tränen im Gesicht und bewegte den Mund als riefe sie etwas zu ihr. Aber die Worte gingen verloren in einem ohrenbetäubenden Rauschen. Ein knall ertönte und die Vision verschwand in einem Roten Schleier.
Srianka schreckte hoch und sie hörte noch immer den Knall als Echo wiederhallen. Ein weiterer Knall ertönte, und erst jetzt begriff sie, das das rauschen und Knall nicht von ihrer Vision stammten sondern von außerhalb der Tempelmauern. Sie blinzelte überrascht und lauschte. Als ein dritter, nachhallendes Bummen ertönte, stand sie hastig auf und hüpfte über dem Steg von der Plattform. Sorge machte sich in ihr breit. Das bedeutete nichts gutes. Das Rauschen hatte sie schon mal gehört, sie gehörten zu den Himmelsschiffe der Rogrisse, die über die Lüfte flogen. Noch während sie sich hastig anzog, eilten plötzlich ein paar Templer herein.
"Mylady! Wir werden angegriffen! Ihr müsst euch in Sicherheit bringen!", rief der älteste atemlos
"Meine Kinder! Wo sind meine Kinder?" Sria wartete erst garnicht auf die Antwort und eilte hinaus. Am Tempeltorbogen blieb sie aprupt stehen und schrie erschrocken auf. Auf der linken seite standen ein paar Häuser im Flammen und aufgeregte Zhanghentjaner beeilten sich, das Feuer zu löschen. Ein weiterer Feuerball raste von einem Luftschiff abgeschossen auf ein weiteres Haus zu und erzeugte beim Einschlag einen weiteren Knall. Direkt vor dem Tempel kam eines der großen Luftschiffe mit einem ohrenbetäubenden Lärm herunter und setzte inmitten des ornamentartig angelegten Blumenbeet auf. Wie gelähmt starrte sie auf das monströse metallischglänzendes Luftschiff. Noch nie sah sie die Luftschiffe aus dieser allernächsten nähe.
"Mylady!" Der Templer ergriff ihr Arm und zerrte sie zurück. "Wir müssen Dawinka ro Dawa verschließen! Nur innen sind wir sicher!"
"Nein!" Sria wehrte sich gegen den Griff und versuchte sich loszureissen. "Ich muss zu meinen Kindern!" heulte sie auf. Ihr Herz verkrampfte sich bei der Gedanke, das ihre Kinder verletzt werden könnten.
"Dazu ist es zu spät! Das Tor schließt sich bereits!" In der Tat. Ein riesiges Steinquader setzte sich langsam mit einem steinmahlenden Geräusch in Bewegung und senkte sich langsam herab. Sria wurde durch das schließende Tor gezerrt. Sie hielt ihren Blick gebannt hinaus während sie von den Templern festgehalten wurde und beobachtete, wie sich das unheilvolle Luftschiff öffnete, wie ein Maul eines Teufels. Sria kniete sich hinunter, um so lang wie möglich durch das sich verschließendes Tor hinauszublicken, und sah gerade noch, wie eine Gruppe hochgewachsene Rogrisse heraustraten. Mit einem dumpfen, schweren knall setzte der Steinquader bündig auf dem Boden auf, und verschloss den Tempel. Eine jahrmillionenjahre Mechanismus klackte nachhallend und versiegelte den heiligen Tempel.
"Nein...", keuchte Sria.
"Habt keine Angst, Mylady!", versuchte der älteste Templer sie zu beruhigen. "Es gibt keinen Ort, wo wir sicherer wären". Im Innern herrschte absolute Stille. Kein Geräusch klang mehr von außen herein. Sria war mit drei Tempeldienern alleine hier eingeschlossen.
"Aber meine Kinder...", schnappte sie atemlos nach Luft. Sie versuchte, telephatischen Kontakt zu Penelope zu finden, aber ihr Geist konnte nicht aus diesen Mauern hinaus. Aber vielleicht konnte sie es mit Hilfe des Bewusstseinserweiternden Wasser des Lichts? Abrupt stand sie auf und lief zum Brunnen in der mitte. Alle Rituale und Etiketten vergessend kniete sie am Rande nieder und streckte beide Hände in das leuchtende Wasser.
"Aber Mylady! Was tut ihr?", rief erschrocken der Templer. "Das dürft ihr nicht!"
"Ich tue das, was ich für richtig halte", knurrte Sria warnend. Die Templer verstanden den warnenden Unterton und hielten sie nicht davon ab. Sofort spürte sie die kribbelnde Wirkkung des Wassers wie eine Droge und sie öffnete ihren Geist. Ihre Gedanken galt nur noch ihren Kindern. Als sie spürte, wie die Kraft des Wassers in ihr den Höhepunkt erreichte, rief sie telephatisch mit aller Kraft: **Vaya! Kimba! Venka!**
Plötzlich war es ihr, als würde sie aus ihrem innersten hinausgerissen, und wie in einer Vision sah sie von Vogelperspektive den Tempel und das gelandete Luftschiff. Drei Rogrisse standen am verschlossenen Tor während die anderen mit angeschlagenen Waffen - Waffen? Woher wusste sie das diese seltsame Teile sich um Waffen handelte? - um sie herum verteilt waren und jeden Zhanghentjaner, der zu nahe kam mit einem Lichtstrahl zu Boden schickten.
Deutlich hörte sie die fremde Sprache der hässlichen Rogrisse, und sie wusste nicht warum, aber sie verstand die Worte der fremden Sprache.
"..verdammtes scheißding", fluchte einer der Rogrisse und hämmert mit seiner pummeligen Faust auf das Steinerne Tor.
"Dann sprengen wirs auf!", schlug der andere vor und blickte grimmig drauf.
"Nein, wir dürfen nicht riskieren das Wasser zu verlieren" Er hob sein Phasergewehr, justierte es um und trat ein paar schritte zurück. "Zurück! Ich versuche, das Tor wegzuschmelzen!" Er schoss ein rubinroter, dicker Laserstrahl auf den Steinquader, das daraufhin sofort anfing zu glühen.
Nein! dachte Sria erschrocken. Dieser Tempel darf nicht auch noch fallen, es war der letzte von ganz Zhanghentja! Im inneren des Tempels keuchten die drei Tempeldiener erschrocken auf, als das Tor in einem dunklen rot zu glühen begann. Sria spürte die Hitze und ihre Sorge wuchs noch mehr.
Plötzlich hallt ein mentaler Schrei durch ihren Geist. Das war Kimba! durchfuhr es ihr. **Kimba! Wo bist du?!** rief sie und wünschte sich sehnlichst bei ihren Kindern. Vor ihren geistigen Augen verschwam plötzlich der anblick der Rogrisse, die versuchten ins Innere des Tempels zu gelangen und sie sah plötzlich ihre drei Kinder, die sich immernoch im Gartenanlage des Palastes aufhielten. Offensichtlich wurden sie auf dem Rückweg überrascht. Vaya drückte Venka und Kimba fest an sich und blickten mit angsterfüllten Blicken zu Penelope, die sich schützend vor den Kindern aufbaute. Ein Rogriss grinste hässlich und zähnebleckend und blickte mit abwertender Mine zu Penelope herunter, die ihm den Weg versperrte. Noch nie sah sie in Penelope's Augen eine so entschlossenes, böses Funkeln und sowohl ehrfurcht als auch tiefer respekt erfüllte sie über ihre treue Dienerin.
"Komm ja nicht zu nahe, du Abschaum!", fauchte Penelope den Rogriss an. Hinter ihr kauerten die Kinder gegen die Mauer zum inneren Pallastgarten und blickten angsterfüllt hoch. Noch nie in ihren kindlichen Leben der dreien hatten sie einen Rogriss aus allernächsten Nähe gesehen.
"Ach wie süß, das Vögelchen kann singen", grinste der hochgewachsene Fremde in seiner rauhen, kehligen Sprache zurück. Er verstand die melodisch ausgesprochene Worte von Penelope nicht und die silberhaarige Frau verstand seine Worte ebenfalls nicht. Aber bei dieser Situation spielte es wohl kaum eine Rolle. Sria verstand durch das Heilige Wasser jedoch die Worte des hässlichen Rogrisses, und sie erkannte die Boshaftigkeit in seiner Betonung.
Der Rogriss machte einen weiteren Schritt auf sie zu und Penelope kniff plötzlich mit konzentration ihre Augen zu, als sie ihn telephatisch mit einem Schmerzgedanke angriff. Der Rogriss schrie überrascht auf, hielt sich den Kopf und taumelte zwei schritte zurück. Seine zwei kleine hässlichen Augen blinzelten überrascht Penelope an, die ihn immernoch sich vor den Kindern schützend aufbaute. **Lauft Kinder!** sendete Penelope zu den dreien. **Lauft in den Palast, ich werde euch schützen** Doch die Kinder waren vor Angst wie gelähmt und rührten sich nicht.
Der Rogriss funkelte das kleine vor ihm stehende Wesen an und hob seine Waffe. Doch Penelope sendete dem Rogriss erneut ein stechender Schmerzattacke in seinen Kopf und lies den Rogriss schmerzerfüllt aufschreien und ließ seine Waffe fallen. Gut so! Weiter so! ermutigte Sria als hilflose Beobachterin in Gedanken Penelope. Sie wusste um die Fähigkeiten Penelope's aber noch nie hatte sie die sonst so friedvolle und gütige Frau in Kampfmagische aktion gesehen.
Ein weiterer Rogriss kam herangestampft.
"Was zum henker machste denn? Wir müssen zurück zum Schiff" erkundigte sich dieser in seiner rauhen, hart gesprochene Sprache.
"Argh, dieses verdammte Vieh hat PSI-Kräfte", keuchte der angegriffene und wich weiter zurück. Er hielt seinen hässlichen Kopf vor Schmerz.
"Mensch, John, du bist manchmal echt ein Idiot", spottete der andere und lachte den Kameraden über seine dummheit aus. Unvermittelt zog er seinen Blaster und schoss ohne hinzuschauen auf Penelope. Die Kinder kreischten vor entsetzen auf als Penelope mit überraschtem Gesichtsausdruck zum zweiten Rogriss schaute, den sie aufgrund ihrer Taubheit nicht bemerkt hatte, und blickte auf ein rauchendes Loch in ihrer Brustmitte. Ihr verblüffter Gesichtsausdruck wich einem Schrecken als sie auch schon wie in Zeitlupe zu Boden stürzte. Die drei Kinder schrien und heulten entsetzt und sahen, wie unter Penelope's leblosen Körper eine Blutlache bildete.
"Jetzt komm schon. Wenn wir uns beeilen, sind wir noch vor dem Mittagessen wieder in der Basis", sagte der zweite und warf einen desinteressierten Blick auf die drei schreckensbleichen, zusammengekauerten Kinder die auf die gefallene Penelope starrten. Schock und Schmerz lies sie unentwegt hysterisch schreien. Dunkelrotes Blut quoll aus Penelope's Brust. Ihr Kopf drehte sich und ihre letzte Aufmerksamkeit galt den Kindern, ehe sich ihr Blick im Tode brach.
"NEEIIIIINN!!!!", schrie Sria voller entsetzen im Tempel auf und warf sich vom heiligen Wasser zurück. Tränen quollen ihr in die Augen und ihr Herz verkrampfte sich voller Schmerz, als hätte sie selbst den tödlichen Schuss abbekommen.
"Mylady? Was habt ihr?", fragte der ältere Zhanghentjaner erschrocken und eilte zu seiner Königin. Er versuchte ihr aufzuhelfen, doch Sria windete sich voll Trauer auf dem Boden.
"Penelope!...", schluchzte sie und lähmender Schock machte sich in ihr breit. "Oh Penelope.. nein.. nein... das ist nicht wahr..:das kann nicht sein.. das ist einfach nicht wahr...", heulte sie auf. Srianka vergrub ihr Gesicht in beide Hände und kauerte zusammen. Der Templer verstand nicht was sie hatte und legte nur tröstend eine Hand auf ihrer Schulter.
Das steinerne Tor strahlte hellrot bis gelb auf und die Hitze im inneren nahm ein fast unerträgliches Maß an. Der Stein begann zu schmelzen, verflüssigte sich und begann auf dem Boden zu tropfen. Eine immer unerträglichere Hitze machte sich breit.
"Steht auf, Mylady!", drängte der Zhanghentjaner und zog sie hoch. "Ich fürchte, das Tor wird sie nicht abhalten, dennoch einzudringen". Sria war noch immer zu sehr geschockt und lies sich wiederstandslos hochziehen und nach hinten auf die andere Seite führen. Der Raum bot nirgends ein Versteck wo sie sich verbergen konnten, also begnügten sich die gefangene Zhanghentjaner mit dem kleinesbischen Gefühl der Sicherheit in Form von Abstands. Geräusche von außen drangen herein und erste Lichtstrahlen fielen durch die geschmolzene, immer größer werdende Öffnung. Die Rogrisse gröhlten siegreich, blickten mit gierigen Blicken hinein und warteten einen Augenblick, bis sich die verschmolzene Ränder etwas abkühlten. Sie riefen sich gegenseitig in ihrer kehligen Sprache was zu und betraten schließlich den heiligen Ort. Sria blickte mit tränenden Augen von der anderen Seite zu den Eindringlinge und wurde von den drei Templern mit ihren Körpern geschützt. Zweifellos würden sie ihr Leben für die Königin der südlichen Hemisphäre geben. Hilflos sahen sie zu wie sie vom Luftschiff aus einen langen durchsichtigen Schlauch herbeizogen und das eine ende in das heilige Wasser warfen. Noch eher sie begriffen was es war, sahen sie mit großen Augen, wie das Wasser in den Schlauch floss und in Sekundenschnelle der Wasserpegel sank.
"Nein... hört auf!", ächzte Sria und wollte aufstehen, aber die Tempeldiener hielten sie eisern fest.
"Vergebt mir, Mylady", entschuldigte sich der älteste leise und hinderte sie daran, auf die Rogrisse zuzurennen. Sria schlug zornig um sich, doch der Templer steckte alle Schläge und Abwehrversuche ein und hielt sie weiterhin fest. "Bitte, Mylady... ihr dürft die Götter nicht noch mehr erzürnen"
"HÖRT AUF!", schrie sie verzweifelt auf, doch sie warfen nur einen boshaften blick zu ihnen hinüber. Der Brunnen wurde immer leerer. "Das sind keine Götter! Es sind MONSTER!!"
"zaxkwoxgv flif slweoi vokmpwkel lkekl lwek!", rief ein Rogriss hinüber, doch ohne die Hilfe des Bewusstseinserweiternde Wasser des Lichts verstand Sria kein Wort ihrer kehligen, rauhen Sprache. Die anderen keckerten ihm zustimmend zu und warfen die Köpfe zurück oder klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Als der Brunnen leer war, rollten sie eiligst den Schlauch ein und gingen wieder hinaus. Erst als die Rogrisse weg waren ließ der Templer sie los und Sria eilte auf den noch immer heißglühenden, verschmolzenen Tor zu und sah gerade noch, wie sie in das Maul des Luftschiffes stiegen. Das Ungetüm schloss sich und begann wieder laut zu lärmen. Wie von einem Unsichtbaren Kommando, zogen sich alle Rogrisse zu ihren jeweils gelandeten kleineren Luftschiffe zurück und stiegen in die Lüfte.
"Bei allmächtigen und alles was uns heilig ist...", raunte der Templer neben ihr fassungslos als er mit ihr gen Himmel schaute. Sria lief los Richtung Pallast. Jetzt galt es, nach ihren Kindern zu suchen.
Überall wo sie hinschaute zeichnete sich das Chaos und Zerstörung ab. Tote oder verletzte Zhanghentjaner lagen von einem offensichtlich stattgefundenen Kampf herum. Schreie, Feuer und Angst erfüllte die Luft und verwandelte den gesamten Stadtpark zu einer Szene des Alptraumes. Aus der Vision wusste sie wo sie sich befanden - es war die Mauer zwischen dem inneren Pallastgärten und dem äußeren Stadtgarten.
**Kinder! Ich bin bald bei euch! Es wird alles wieder gut!** sendete Sria mit vollem Herzen hinaus. Sie beschleunigte noch mehr ihre Schritte und lief achtlos querfeld durch die Blumenbeeten. Endlich sah sie ihre drei Kinder, immernoch am selben ort und stelle an der Mauer gekauert.
"Mama!", riefen sie voller Erleichterung, sprangen ihr entgegen und Sria nahm sie alle drei fest in die Arme. Tränen liefen über ihre Gesichter und Sria versuchte sie zu beruhigen. Unendliche Erleichterung machte sich in Sria breit, ihre Kinder alle drei unversehrt zu sehen.
Schließlich löste sich Sria und schaute sich um. "Penelope..." hauchte sie mit stockendem Atem. Srianka's Herz krampfte sich erneut zusammen und sie kniete sich zu ihrer treuesten Seele hinunter. Penelope's Augen waren immernoch zur Mauer gerichtet wo die Kinder waren, jedoch blickten sie ohne Leben. Die Königin hob Penelope's Kopf hoch und strich ihr zärtlich das silberne Haar zur Seite und schluchzte ungehemmt. "Oh Penelope... Meine treueste Seele..."
Die Kinder knieten sich dazu und schlossen voller trauer ihre tränenden Augen. "Ich danke Dir das du meine Kinder gerettet hast...", flüsterte Sria, und streichelte über Penelope's Wangenfell während sie den leblosen Körper an sich drückte. "Möge das Licht dich immer begleiten..." Sria blickte auf und schaute den Hang hinunter bis zur Hafenstadt. In der Stadt standen unzählige Häuser in flammen und schickten schwarze Rauchwolken gen Himmel und verdüsterten die Doppelsonnen. Dies war ein schwarzer Tag...

~v~^~v~


Drei Tage nach dem furchtbaren Angriff der Rogrisse stand das ganze Land der Südlichen Hemisphäre noch immer unter Schock und Angst. Bisher kannten die Zhanghentjaner nur vom hören-sagen aus dem Norden über die dort schon übliche Angriffe der Rogrisse. Doch noch nie kamen die Luftschiffe so weit hoch in das Südliche Reich der Tirinogh's. Diese Erfahrung lies die Zhanghentjaner erst richtig bewusst werden, was die Bevölkerung im Norden seit Jahrzehnte schon durchmachten.
Die Trümmer wurden beseitigt, und die niedergebrannten Häuser ganz abgerissen, um Platz zu schaffen sie wieder neu aufzubauen. Sria stellte den halben Pallastflügel als Notunterkünfte zu Verfügung um jene Familien, die ihre Häuser verloren hatten, zu versorgen. Sria tat alles, um den Zhanghentjaner unter ihr zu helfen und scheute keine Mittel und Mühen, die Versorgung so weit wie möglich zu gewährleisten. Im ganzen Land und insbesondere hier im Ort des Geschehens wurden Trauerglimmer in den Boden gesteckt. Jene Stellen, wo ein Zhanghentjaner tot aufgefunden war, befanden sich besonders viele der rotglühenden, etwa handbreit langen Glimmstengeln, die über viele Tage langsam herunterglühten. Srianka stand am Balkon des Pallastes, wo sie früher schon viele male mit Milwo gestanden hatte. Mit traurigen Augen blickte sie über den Park und zur Hafenstadt hinunter. Soweit das Auge reichte, glühten überall in der beginnenden Dämmer-Jahreszeit Zim die roten Glimmerstengel und erinnerte wie Mahnmale an die Ungeheuerlichkeit der Rogrisse. Jene stelle, wo Penelope starb, wurden besonders viele der rotglühenden Stäbchen in den Boden gesteckt. Penelope war nachfolge und Mutter eines sehr großen Clans. Ihr verlust brach sehr vielen die Herzen... einschließlich ihres und die der Kinder.
"Mylady Tirinogh... es ist soweit", erklang eine sehr junge und schüchterne stimme hinter ihr. Sria atmete tief durch und drehte sich zur Penelope's Nachfolgerin um.
"Danke, Thal. Ich werde gleich kommen." Sria drehte sich wieder um und ließ noch einmal einen Blick über das Land schweifen. Ein kühler Wind frischte auf und der Himmel war leicht mit rosa- und orangfarbenen Wolken verhangen. Sie reflektierten die Farben der kleinen schwach leuchtenden Sonne und vom Saturn, der die nächsten drei Monate lang langsam sich vor dem großen, orangegefärbten, dem Horizont neigenden Sonne schob. Das Trübe Wetter und Jahreszeit verlieh den Trauerglimmer übersäeten Park einen noch traurigeren Atmosphäre und Sria musste sich zusammenreissen, sich davon nicht niederreissen zu lassen. Sie fühlte immernoch die Anwesenheit Thal's hinter ihr. Würde sie Penelope's Nachfolgerin je akzeptieren? Sie wusste es nicht. Es würde ihr sehr schwer fallen, das wusste sie. Schließlich raffte sie sich zusammen und folgte Thal Gon'Seel zu einer ihrer schwersten Pflichten, den sie als Königin der Südlichen Hemisphäre überhaupt verrichten konnte.
Der große Versammlungsplatz an den Klippen war noch nie so hoch besucht wie heute. Das Plateau erstreckte sich über hundert meter hoch und ragte mit einer künstlich angelegten Holzsteg noch paar meter weiter über die Brandung hinaus. Massive halbhohe Schutzmauer umgrenzten zur Sicherheit vor Abstürze den Platz. Viele Zhanghentjaner schauten sowohl wehmütig als auch mit respekt vor der Höhe hinunter. Das tiefblaue Meer war sehr unruhig und aufgeschauckelt und hohe Gischtschlagende Wellen schlugen wie kleine Naturgewalten gegen die Felsen. Trotz Dämmerlichtes vom Saturn und dem kleinen schwach leuchtenden Sonne herrschte eine etwas zu düstere Dämmerlicht. Vielleicht bildete sich Sria die Düsternis auch nur ein, denn das Tagesdämmerlicht dieser Jahreszeit war eigentlich immernoch hell und ausreichend genug. Dennoch ordnete die Königin an, die festinstallierten, kunstvoll geschnitzten Fackelmäste anzuzünden, die ringsum des Plateaus standen. Unten schlug die Brandung mit einem auf- und abschwellende Rauschen hoch, als könne das Meer garnicht mehr abwarten auf das, was folgte.
Königin Srianka Tirinogh war in Meeresblaue und Türkisfarbenen, weite Trauergewänder gekleidet, wie auch alle anderen anwesenden Zhanghentjaner, und saß auf einer erhöhten, königlichen Podest. Von hier aus hatte sie sowohl überblick auf den ganzen Platz als auch den direkten blick zur hinausgearbeiteter Holzsteg und zu den Klippen hinunter. Wüsste sie nicht, das dieser Plateau schon seit viele jahrtausenden und zhanghentjanische Generationen sicher stand, wäre es ihr spätestens jetzt mulmig zumute. Srianka atmete nocheinmal tief durch und schloss kurz ihre großen Augen zu Thal. Thal verstand die stumme bestätigung, erhob sich und blies in ein aus Galb-Delphinhaut geschnitztes Horninstrument. Ein sanfter, dunkler, langgezogener Ton dröhnte aus dem Horn, vermischte sich traurig mit dem Rauschen der Brandung und sorgte für die Aufmerksamkeit der Zhanghentjaner. Thal lies den Trauerhorn sehr lange wie ein Klageruf ertönen, und als sie das Instrument absetzte, waren alle Unterhaltungen eingestellt und es herrschte absolute ruhe unter der Versammelten Zhanghentjaner.
Die Königin erhob sich und lies ihren traurigen Blick über die Menge schweifen.
"Möge das Licht in diese schweren Zeiten uns allen erhalten bleiben...", begann sie mit fester und erhobener Stimme. "Möge das Licht auch jene stets begleiten, die nun nicht mehr unter uns weilen..." Ein Klos bildete sich in ihr Hals als Penelope's gebrochener Blick in ihr Gedächtnis huschte. "Wir sind heute hier versammelt, um die von uns gegangenen Angehörige unseres Volkes die letzte Ehre zu erweisen" Sie legte stets eine lange bedenkpause ein und blickte in die Gesichter der unter ihr versammelten und in mitleidenschaft gezogenen Zhanghentjaner. "Sie alle sind eines tragischen, gewaltsamen Todes gestorben... Viele opferten ihr leben, um ihre Familien und Freunde zu schützen... verloren ihr leben bei dem Versuch sich gegen die Rogrisse zu wehren..." Ihr blick blieb an ihre drei Kinder hängen, die hemmungslos aber still weinten. Penelope war wie eine zweite Mutter für sie. "Nun begleiten wir die 72 von uns gegangenen auf ihre letzte Reise zurück, woher wir alle entstammten" Sie schaute hinauf in den Wolkenbedeckten Himmel an der hellsten stelle, wo die kleine Sonne schien. "...zurück in das Wasser des Lebens unter dem Himmel des Lichts. " Srianka schloss die Augen, und die anderen taten es ihr gleich. Thal setzte wieder das Horn an und blies einen langgezogenen traurigen Ton. Dann stille. Das Meer rauschte und donnerte gegen die Felsen als Antwort und Thal blies einen zweiten, langgezogenen Ton. Niemand rührte sich, keiner schaute auf. Alle Anwesenden waren mit den Gedanken an die Toten, die alle in feine, blaue Tücher eingewickelt am rande der Klippe aufbewahrt waren, Reihe um Reihe, um Reihe. Man konnte nicht zwischen den einzelnen eingewickelten Zhanghentjaner unterscheiden, und das war auch gut so. Sria wollte nicht wissen, in welches der alle gleich eingewickelte Toten, Penelope war. Der Tod machte sie alle gleich. Es spielte keine Rolle wer oder was sie in ihrem Leben waren. Sie alle teilten das gleiche Schicksal.
Nach dem dritten langen Gedenkton öffneten sie wieder ihre Augen und die Königin wandte sich zu den am Boden aufgereihten, länglichen Packeten um.
"Wir bedanken uns für euer Leben in unserer Mitte... Wir danken für eure Liebe, und für neues Leben das ihr uns gegeben habt. Möget nun eure Reise friedlich sein, und als freie Seelen als Wind über unsere Gesichter streicheln." Sria nickte und die Zhanghentjaner begannen, jeweils zu viert ein Bündel zu nehmen und trugen diese über den hinausgebauten Steg. Mit einem letzten stummen Abschied wurden sie ins Meer fallen gelassen, die sogleich von den Wellen davongetragen wurden. Thal begann nun ein langsames Trauerlied auf dem aus Galb-Delphinenhaut gewobenes Blasinstrument zu spielen während die Toten nacheinander ins tosende Meer geworfen wurden. Noch nie wurden soviel Tote Zhanghentjaner auf einmal dem Meer zurückgegeben.. Sria erinnert sich an Geschichten aus dem Herrschaftszeit des Königshauses Bandah's vor vier Herrschaftsgenerationen. Eine tödliche Krankheit verlangte unzählige Opfer, so viele, das ganze Landstriche wie leergefegt wurden. Genau zu jener zeit wurde dieses Plateau gebaut, um die vielen Krankheitsopfer ins Meer zurück zu befördern, welches aus allen Teilen des Landes hergebracht wurden.
Als der letzte Bündel ins Meer geworfen wurde, zogen sich die Zhanghentjaner nach und nach zurück. Die Zeremonie war beendet. Sria nahm ihre Kinder an die Hände und ging den langen Fussmarsch zurück zum Pallast, dicht gefolgt von Thal, Penelope's Nachfolgerin. Thal wurde seit vielen Jahren schon von Penelope auserwählt als ihre Nachfolge für den Fall ihres Todes. Sria musste Penelope's "Erbe" akzeptieren, ob sie wollte oder nicht. Sie hoffte, das sie sich auf Penelope's Urteil auch nach ihrem Ableben verlassen konnte, und Thal eine gute und ebenbürtige Dienerin der Königsfamilie abgab. Sria seufzte. Ihr Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken daran, was nun auf sie zu käme. Wie sehr vermisste sie in Zeiten wie diese Milwo Tirinogh... Er hätte nicht so früh sterben sollen. Wie soll sie ein ganzes Reich alleine regieren? Das Volk vertraute ihr, aber immer mehr Stimmen erreichten sie, das es an der Zeit wäre, einen neuen, führungsstarken König zu bekommen. Srianka hatte nach Milwo's Tod sich nie mehr darüber Gedanken gemacht, eines Tages einen neuen Gefährten an ihrer Seite zu nehmen. Es kam ihr irgendwie falsch vor.. wie ein Verrat an ihrer alten Liebe.
Am rande des Plateaus bemerkte sie eine gruppe dunkelgrün gekleidete Zhanghentjaner. Sria zögerte und hielt dann an. Überraschung machte sich auf ihrem Gesicht breit. "Thal, begleite bitte die Kinder in den Pallast zurück"
"Aye, Mylady Tirinogh"
"Mama, was machst du?", fragte Venka, die jüngste. Sria beugte sich kurz zu ihrer kleinsten hinunter und strich ihr zärtlich über's Wangenfell.
"Ich muss jetzt sehr viel arbeiten, kleines... Ich komme später nach." Venka, die älteste bemerkte ebenfalls die wartende Gruppe und ihr Blick verfinsterte sich.
**Du willst dich wirklich mit diesen... Leuten einlassen?**, sendete Venka so, das nur die Mutter sie hörte. Sria schaute Venka nur liebevoll an und drehte sich um. Venka war verwirrt und schaute ihrer Mutter hinterher.
Als Sria die fünf wartende Zhanghentjaner erreichte, tauschten sie nur bedeutsame blicke aus. Es waren keine Worte mehr nötig. Srianka hätte es nie für möglich gehalten, das sie eines Tages wirklich sich mit der Widerstandsgruppe aus dem Norden verbünden würde. Hier und heute, will sie die damals begonnene Drei-Fronten-Krieg beenden. Nun verstand sie die Nordischen Zhanghentjaner. Nun hatte sie mit eigenen Augen gesehen, und selbst mit tiefer Erschütterung am eigenen Leib erfahren, was es heißt, gegen die Rogrisse so wehrlos erlegen zu sein.
Bisher hatte sowohl Milwo und sie selbst sich keinerlei Vorstellungen machen können, was es bedeutete, von dieser Übermacht angegriffen zu werden und was es hieß, so viele Verluste zu betrauern... Es war bisher immer ein Krieg weit weg vom eigenen Land, weit unten im Norden, und es berührte das Tirinogh-Haus nicht so sehr. Sicher, sie bedauerten immerwieder das Nordische Volk, was sie durchmachten mussten und so, aber wirklich verstehen... das konnten sie in all der Jahren absolut nicht. Das erkannte Sria von dem Augenblick an, als sie Penelope's sterbenden Blick sah, welches sich fest in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte.
Die fünf Zhanghentjaner schlossen kurz zum Gruß ihre Augen. Der älteste unter ihnen, trat vor und neigte respektzeigend den Kopf. Srianka schätzte ihn viel älter als sie selbst ein.
"Möge das Licht uns erhalten bleiben", grüßte er. "Ich bin Aramis Torall.. Es ist mir eine Ehre, euch persönlich zu begegnen, Königin Srianka Tirinogh." Seine rauhe stimme passte zu seinem etwas rauhem äußeren, aber sie klang aufrichtig.
"Auch mir ist es eine Ehre, Aramis Torall. Ich danke euch, das ihr gekommen seit, wobei ich sehr überrascht bin, das ihr nach drei Tagen schon hier seid..?"
Aramis Torall lächelte leise. "Ihr werdet noch viel mehr überrascht sein, was wir mittlerweile alles zustande bringen können", antwortete er geheimnisvoll. Wir sind keine kleine Wiederstandsgruppe mehr, Königin Tirinogh. Fast der ganze Norden steht nun hinter uns, und nur mit vereinten Kräften sind wir wirklich in der Lage, einen ernsthaften Widerstand gegen die Rogrisse zu leisten.. und zwar mit unseren Mitteln, mit unseren eigenen Weg"
Sria nickte. "Dann lasse ich euch wissen - von nun an, setze ich alle Mittel und Wege ein, das auch wir im Südlichen Hemisphäre, uns euch anschließen werden.", sagte die Königin mit fester, fast bitteren Stimme. Sie hatte immernoch Penelope's Tod vor augen... sie will nicht, das das gleiche mit ihren Kindern geschah.
Aramis Torall lächelte. "Dann lasst uns den Friedens- und Bündnisverträge schreiben.

~v~^~v~


Ein langgezogener Schrei hallte durch die weit abseits gelegenen Pallastgewölben. Es war ein Schrei voller Schmerz... ein sehr rauher schrei, nicht aus der Kehle eines Zhanghentjaners. Als der Rogriss aufhörte zu schreien, glänzte Wasser auf seiner hässlichen, flachen Gesicht, und Srianka beobachtete mit geteilten Gefühlen die Kreatur, wie er sie mit hasserfüllten, kleinen Augen anfunkelte und sich gegen die Ketten warf. Zwei Rogrisse konnten bei dem hinterhältigen Angriff gefangen genommen werden, und Sria lies sie in diese Kellergewölben mit schwersten Ketten werfen. Einer davon war wohl zu schwer verletzt, denn er wachte nicht mehr auf, war aber auch nicht ganz tod.
"Es war weise, sie ihrer Sachen zu entledigen", sagte Aramis, als er aufhörte, telephatische schmerz-Attacken gegen den angeketteten Rogriss zu senden. "Sie haben Dinge bei sich, die selbst wir noch immer nicht ganz verstehen wie sie funktionieren, aber sie zur Flucht verhelfen könnte." Sria und die fünf Zhanghentjaner der Wiederstandsgruppe standen vor der Zelle wo die zwei übelriechende Rogrisse gesteckt wurden. Sria fürchtete sich noch immer vor diesen übergroßen Wesen, aber sie empfand auch genugtuung, sie leiden zu sehen, für das was sie taten. Gleichzeitig spürte Srianka aber auch Schamgefühl für ihre negative Gedanken... Die Zhanghentjaner waren ein sehr friedlebendes Volk. Das Gefühl des Hasses, Rache und das Gefühl, ihnen Weh tun zu wollen, erschütterten sie selbst, aber sie konnte nichts gegen diese Gefühle tun. Sie schämte und freute sich zugleich, diesen hässlichen Rogriss in Schmerz leiden zu sehen. Tief in ihrem innern wusste sie, dieser Angriff hatte sie mehr verändert, als sie äußerlich zum anschein gab. Penelope's Tod zerbrach etwas in ihr und vermischte sich mit dem Schmerz den sie immernoch in sich trug von Milwo's Tod. Ein teil ihrer friedlichgesinnten, gütigen Art ging verloren, und wich neuen Gefühle, den sie bisher nie kennenlernte: Hass.
"komdra gkean ewla traugowkt knar jwas knorrwgkea blex!", spuckte der gerade gefolterte Rogriss und warf sich klirrend gegen die Ketten. Sria wich erschrocken einen Schritt zurück, während Aramis unbeeindruckt stehen blieb.
"Er sagt, wir sollen ihn sofort frei lassen, und droht uns zu töden", übersetzte der ältere Zhanghentjaner mit fast gelangweilten Ton.
"Ihr versteht die Rogriss-sprache?", fragte verblüfft Sria.
"Natürlich, ehrenwerte Königin. Wenn wir den Feind besiegen wollen, müssen wir den Feind erstmal verstehen lernen." Er drehte sich um und ging zu einem Tisch voller abgenommene und gefundene Sachen der Rogrisse. Er nahm das eine oder andere Teil in die Hand und legte es wieder hin. Sria fürchtete sich davor, die fremd aussehende Dinge von den Rogrisse in die Hand zu nehmen und beschränkte sich lieber, sie aus sicherer Entfernung anzusehen. Schließlich nahm Aramis ein Teil in die Hand und zeigte es Sria. Sie hatte es schon mal gesehen... tödliches Licht schoss hinaus, und verletzte Penelope's Körper fürchterlich.
"Wisst ihr was das ist?", fragte Aramis und hielt es hoch.
"Es bringt.. Tod", antwortete die Königin verbittert.
"So kann man es auch ausdrücken", lachte der Zhanghentjaner.
Sria funkelte ihn verständnislos an, wie er darüber nur lachen konnte. Er drehte sich zu dem Gefangenen um, und streckte das Teil ihm entgegen, so wie sie es schon mal sah, als es gegen Penelope gerichtet wurde.
"So, du hässlicher Rogriss, würdest du bitte deine... Forderung wiederholen, und zwar so, das unsere Ehrenwerte Königin Srianka Tirinogh ebenfalls versteht?", sagte Aramis mit gleichgültigen Ton zu dem Rogriss. Sria runzelte verwirrt die Stirn. Was hatte er vor? Der Rogriss schaute hasserfüllt hoch und blickte gegen den Lauf der eigenen Waffe, aber schwieg. Aramis drückte etwas auf der seite des Teils, und ein rotes, kleines Licht leuchtete. Sria riss überrascht die Augen auf, wie auch der Rogriss zeigte Verblüffung in seinem hässlichen Gesicht. Offenbar kannte Aramis das Geheimnis des tödlichen Lichtwerfers.
Schließlich gab der hässliche Rogriss sein schweigen auf und sprach in seiner rauhen, kehligen sprache auf Zhanghentjanisch und Sria überkam bei diesen Lauten in ihrer eigenen Sprache eine Gänsehaut und Übelkeit kam ihr hoch: "Ihr habt keine Chancen gegen uns, Kreatur. Dieser Planet gehört uns, früher oder später müsst ihr Platz machen, wenn noch mehr sich hier ansiedeln kommen. Gebt auf... ihr könnt nichts dagegen tun" Der Rogriss verzog sein plattes Gesicht und stieß rhytmische Laute von sich aus. War das etwa ein Lachen?, fragte sich Srianka. Übelkeit schnürte ihren Hals zu bei diesem Geräusch.
"Was meint er mit... Planet? Was ist das?", fragte Sria verwirrt und beängstigt zugleich.
Aramis Torall sank die ausgestreckte Hand und drehte sich zur Königin um, als er mit fast bedauernden tonfall antwortete: "Ihr müsst von nun an sehr viele dinge lernen, Königin Srianka Tirinogh... Ich bin bereit, alles gesammelte Wissen, das wir von den Rogrissen abgenommen haben, mit dem Volk der südlichen Hemisphäre zu teilen."
Srianka nickt benommen. "Und was verlangt ihr als Gegenleistung?"
"Gegenleistung?", Aramis blickte zum Rogriss, der versuchte seine Handgelenke aus den Ketten zu ziehen. "Ich verlange keine Gegenleistung... Das Zhanghentjanische Volk will nur eines.. Das unsere Welt wieder frei ist von diesen sogenannten... Menschen... so nennen sie sich selbst" Er hob unvermittelt die Waffe und ein tödlicher Lichtstrahl blitzte gleisend auf und tötete den Rogriss.
Srianka blickte entsetzt zu dem Kreatur, der mit einem schweren Laut leblos auf dem Boden fiel. Sria blickte in die gebrochene Augen der Kreatur. Sie blickten genauso verblüfft und von plötzlicher Tod gebrochen drein, wie einst Penelope. Entsetzt schlug sie die Hand vor Mund... Ihr wurde nun entgültig klar, das sie keineswegs Götter waren. Sie waren genauso sterblich wie die Zhanghentjaner auch. Sie hatten genauso rotes Blut wie sie selbst. So unterschiedlich sie offenbar auch waren - eines hatten sie nun gemeinsam... nun haben beide seiten - die Zhanghentjaner und die... wie nannte er sie? Menschen?... Blut an den Händen. Die Zhanghentjanische Welt und ihre Kultur würde nie mehr so sein wie früher, in der Zeit vor den Rogrissen... Menschen. Wenn sie überleben wollen, müssen sie kämpfen... Wenn sie stärker als die Rogrisse sein wollen, müssen sie ihre sanftmütige Art ablegen und die rauhe Welt der Rogrisse annehmen, um dies gegen sie zu verwenden.
Aramis Torall beobachtete das Minenspiel der Königin. Sie begriff nun, um was es ging. "Verschwendet keine Gedanken an den Tod dieser Kreatur..", sagte Aramis und legte beruhigend eine Hand an ihrer Schulter. "Im vergleich zu uns sind sie sehr kurzlebig und werden nur acht bis neun Zhanghentjanische Jahre... aber in diese Zeit können sie bis zu vier Nachkommen bekommen und vermehren sich in einer rasenden Geschwindigkeit. Für sie sind wir ewiglebend... aber für uns sind sie wie ein Virus für die ganze Welt... und Krankheiten müssen mit allen uns zu Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden.... wir müssen Überleben!"
Die Königin wendete sich mit eckel von dem toten Rogriss ab und schaute Aramis Torall fest in die Augen. Seltsam... einen kurzen moment dachte sie, sie schaue in Milwo's Augen, obwohl Aramis keine Violette, sondern orangefarbene Augen hatte. Mit gebrochener Stimme fragte sie tonlos: "Was muss ich tun?"
Er lächelte und nickte. Er sah die Entschlossenheit in ihre Augen und wusste, sie war bereit. Der drei-fronten-krieg war beendet. Der Führer der Wiederstandsgruppe des Nordens und die Königin der südlichen Hemisphäre standen sich gegenüber und waren keine Gegner mehr. Nun hatten sie vielleicht eine chance, etwas gegen die Eindringlinge ihrer Welt zu tun, wenn das ganze Volk zusammenhielt. "Lernen, meine Königin. Wir müssen viel lernen, und das innerhalb kürzeste Zeit. Wir werden lernen wer sie wirklich sind, woher sie kommen, und was sie wirklich wollen... wir werden lernen wer und was wir selbst in ihren Augen sind, wo wir sind, und wir werden alles Wissen und Technologien der Rogrisse abnehmen.. und wir müssen unsere alten Bibliotheken aus unserem Hohen Volk öffnen und das Wissen öffnen. Es wird viele Jahre dauern... aber wir müssen den technologischen Vorsprung, die die Rogrisse besitzen einholen bis wir in der Lage sind, selbst diese wundervolle Luftschiffe zu fliegen. Und dann werden wir dorthin fliegen, wo die Menschen herkamen... um das Virus an ihrem Ursprungsort zu vernichten" Er hob den arm und deutete hinaus aus dem Fenster gen Himmel.
Sria folgte den Blick hinaus. Der neue Stern funkelte immernoch an ort und stelle, wo es vor vielen jahrzehnten erschien. Doch nun schien es ihr, als wäre der Stern zum greifen nahe, als müsse sie wie Aramis einfach die Hand ausstrecken und es in ihrer Faust einschließen....

~v~^~v~ Ende ? ~v~^~v~


Diese Geschichte entstand im Jahr 2oo2. Es ist eine der ersten Zhanghentjanische-außerirdische Geschichten einer sehr viel größeren, und sehr komplexen Epos, welches zum teil zu Fantasy und zum Teil Science Fiction zuzuordnen ist. Viele Jahre zuvor schon habe ich das Zhanghentjanische Universum im Jahre 1991 aufgebaut und den Story-verlauf, welches über mehrere Jahrtausende sich erstreckt und komplex und paradox wegen Zeitreisende Manipulationen ausgearbeitet. Ich besitze mehrere Leitz-Ordner voll Material darüber, und diese Story in Kurzerzählung hier sollte sowas wie ein Auftakt einer größeren, kosmischen dramatischen Epos' sein. Wie man bemerkt, ist diese Erzählung nicht aus der Sicht eines Menschen, sondern aus der Sicht einer völlig anderen Spezies - einer etwas Rentier-/Pferdeähnliche Wesen.
Nachdem ich das mal wieder ausgegraben habe, dachte ich, das könnte man mal im BLOG veröffentlichen. Erst heute, beim korrekturlesen nach über 5 Jahren, wo ich diese Geschichte wieder zur Hand nahm, bemerkte ich, wie stark spirituell angehaucht die Zhanghentjanische Spezies angehaucht ist, was mit unserem heutigen Esoterik so mit einigem parallelen gezogen werden könnte. Erstaunlich ;)